https://www.baunetz.de/recht/Kostenvorstellung_durch_AG_nicht_ausreichend_zum_Ausdruck_gebracht_keine_Haftung_des_Architekten__4761828.html


Kostenvorstellung durch AG nicht ausreichend zum Ausdruck gebracht: keine Haftung des Architekten!

Inwieweit der Auftraggeber seine Kostenvorstellungen ausreichend zum Ausdruck gebracht hat und diese entsprechend durch den Architekten einzuhalten sind, muss durch Würdigung im Einzelfall ermittelt werden.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Ein Sonderbereich der Architektenhaftung stellt die Haftung für Bausummenüberschreitungen dar.

Haben die Vertragsparteien eine verbindliche Kostenobergrenze vertraglich vereinbart, so entfallen i.d.R. die dem Planer sonst gewährten Toleranzrahmen.
Beispiel
(nach OLG Düsseldorf , Urt. v. 25.06.2014 - 23 U 166/12; BGH, Beschluss vom 6.4.2016 – VIIZR 81/14 – NZB zurückgewiesen)
Ein Architekt wird mit Leistungen Leistungsphasen 1-9 für ein Einfamilienhaus beauftragt. Bereits vor Beginn der konkreten Planung übermittelt der Architekt der Auftraggeberin verschieden grobe Schätzungen der Herstellungskosten auf der Grundlage von Kubikmeter-Preisen des umbauten Raums und unterschiedlichen Ausstattungsvarianten (Standard-/gehobene Ausstattung). Für das zunächst von der Auftraggeberin gewünschte Haus mit einem umbauten Raum von 899 m³ zzgl. 135 m³ für eine Garage berechnete der Architekt unter Datum vom 19.6.2005 die Herstellungskosten auf der Grundlage einer Standard-Ausstattung mit € 270.230,00 und einer gehobenen Ausstattung mit € 299.460,00. Nach entsprechenden Vergrößerungswünschen der Auftraggeberin ermittelt der Architekt bei einem umbauten Raum für das Wohnhaus von 1351 m³ und für die Garage 135 m³ in der gehobenen Ausstattung Herstellungskosten in Höhe von € 439.190,00 und in der Standard-Ausstattung mit Datum vom 17.08.2005 € 361.000,00. Bis zum Bauantrag wurde der umbaute Raum auf Wunsch der Auftraggeberin für das Wohnhaus dann nochmals auf 1472 m³ und für die Garage auf 158 m³ erhöht. Für dieses nochmals erhöhte Raumvolumen ermittelte der Architekt keine neuen Kosten.
 
Mit Schreiben vom 24.10.2005 übersandte der Architekt der Auftraggeberin ein schriftliches Angebot für einen Architektenvertrag, in welchem er im Rahmen der Berechnung seines Honorars von einer Bausumme von Euro 360.000,00 netto ohne Grundstück und ohne Innenausbau ausging. In dem Bauantrag, in dessen Baubeschreibung die Standard-Ausführung zugrunde gelegt war, gab der Architekt die Herstellungskosten mit Euro 360.000,00 an. Gegenüber der finanzierenden Bank gibt der Architekt – nach seiner Aussage auf Wunsch der Auftraggeberin – voraussichtliche Baukosten in Höhe von € 360.000,00 an. Er sei, so der Architekt, davon ausgegangen, dass die Auftraggeberin Euro 360.000,00 finanzieren wolle (mit Eigenkapital von bekanntermaßen Euro 80.000,00 nach Erkenntnis des Architekten insgesamt also € 440.000,00). Im Verlaufe der Bauarbeiten kam es erneut zu Leistungserhöhungen: so wurde im Februar 2006 das Obergeschoss auf Veranlassung der Auftraggeberin um 30 cm erhöht, das Dach wurde durch eine nachträgliche Herstellung eines Dachüberstandes erweitert, schließlich wünschte die Auftraggeberin den Einbau einer Erdwärmeanlage, während im Bauantrag eine Gasheizung ausgewiesen war. Der gesamte Innenausbau wurde sehr aufwändig hergestellt, insbesondere die Elektroinstallation mit Alarmanlage, Video-Gegensprechanlage, CAD-Verkabelung, elektrische Rollläden; es wurden eine hochwertige Sanitärausstattung und raumhohe Innentüren eingebaut.
 
Mit Anwaltsschreiben vom 31.07.2006 monierte die Auftraggeberin eine erhebliche Baukostenüberschreitung und forderte den Architekten auf, einen verbindlichen Handlungsplan vorzulegen, wann welche Restgewerke zu welchem Preis ausgeführt und fertig gestellt würden. Vorgegeben wurde dem Architekten dabei, dass die Erdwärmeanlage unbedingt realisiert werden müsse und dass die Kostenobergrenze von € 361.000,00 ohne Wenn und Aber einzuhalten sei. Mit Anwaltsschreiben vom 07.08.2006 wies der Architekt den Vorwurf einer Bausummenüberschreitung zurück und wies darauf hin, dass die Ausführung der Erdwärmeanlage bisher noch nicht beauftragt sei und sich durch die Herstellung einer konventionellen Heizungsanlage Einsparungen in Höhe von Euro 25.000,00 ermöglichen ließen, insgesamt könne die Auftraggeberin für noch nicht beauftragte Leistungen durch Reduzierung des Standards Kosteneinsparungen in Höhe von € 32.000,00 erzielen. Dies wies ist die Auftraggeberin mit Anwaltsschreiben vom 24.08.2006 zurück.
 
Das Haus wurde schließlich, wie sich aus dem erstinstanzlich eingeholten sachverständigen Gutachten ergibt, in stark gehobenem Standard errichtet; den Gebäudeherstellungswert hat der Sachverständige auf € 512.000,00, inklusive Nebenkosten auf € 594.000,00 beziffert. Die Auftraggeberin nimmt den Architekten auf Schadensersatz wegen Bausummenüberschreitung in Anspruch und verlangt Zahlung in Höhe von € 186.000,00. Die Auftraggeberin argumentiert, sie habe dem Architekten eine Kostenobergrenze in Höhe von € 361.000,00 vorgegeben, diese sei erheblich und schuldhaft durch den Architekten überschritten worden.
 
Die Auftraggeberin unterliegt mit ihrer Klage in allen Instanzen. Dabei sei, so das Oberlandesgericht Düsseldorf, unter Bezugnahme auf das Urteil des BGH vom 21.03.2013 von folgenden Grundsätzen auszugehen: ein Architekt sei verpflichtet, die Planungsvorgaben des Auftraggebers zu den Herstellungskosten des Bauwerkes zu beachten. Dabei müsste er nicht nur die genau vereinbarte Baukosten-Obergrenze einhalten. Vielmehr sei ja auch verpflichtet, die ihm bekannten Kostenvorstellungen des Auftraggebers bei seiner Planung zu berücksichtigen. Inwieweit der Auftraggeber seine Kostenvorstellungen ausreichend zum Ausdruck gebracht habe, müsse durch Würdigung im Einzelfall ermittelt werden. Eine Erklärung, die Baukosten sollten maximal einen bestimmten Betrag nicht überschreiten, bringe die einzuhaltende Kostenvorstellung ausreichend zum Ausdruck. Die vom Auftraggeber dem Architekten gegenüber zum Ausdruck gebrachte Kostenvorstellungen seien in dem Sinne verbindlich, dass sie vorbehaltlich einer Änderung den Planungsrahmen bestimmen und jedenfalls dann regelmäßig zum Vertragsinhalt werden, wenn der Architekt Ihnen nicht widerspricht. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze könne nicht festgestellt werden, dass die Auftraggeberin hier ihre Kostenvorstellungen hinreichend klar zum Ausdruck gebracht hbet. Schon in der Planungsphase hatte der Architekt Kosten auf der Grundlage zweier verschiedener Grundlagen, nämlich Standard-Variante und gehobene Ausstattung ermittelt, die erheblich differierten; dass die Auftraggeberin sich für eine der beiden Ausstattungsvarianten entschieden hätte, könne nicht festgestellt werden. Der Angabe im Bauantrag komme keine indizielle Bedeutung zu (vgl. BGH Urt. v. 23.01.1997). Der Architekt habe insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass er die Herstellungskosten niedrig angesetzt hatte, um die Gebühren niedrig zu halten. Auch hatte der Architekt ein schriftliches Honorarangebot übermittelt, welches die Herstellungskosten bereits mit € 360.000,00 netto ohne Innenausbau angegeben hatte. Auch der finanzierenden Bank wurde nur eine grobe Schätzung der einfachen Ausstattungsvariante vorgelegt, ohne dass zu diesem Zeitpunkt eine Einigung der Parteien darüber erzielt worden war, dass die Klägerin diese Variante verwirklichen wolle.
Hinweis
Fälle, wie der vorliegende, in welchem sowohl Auftraggeber als auch Architekt im Hinblick auf Baukosten unklar und teils widersprüchlich kommunizieren, sind leider nicht selten. Für den Architekten stellt dies eine erhebliche Gefahr dar, denn nimmt ein Gericht eine verbindliche Kostenvorgabe durch den Auftraggeber an, wird der Architekt häufig haften (wobei im Einzelfall unter Berücksichtigung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung natürlich ein etwaiger Schaden erst zu ermitteln ist). Auch wenn der Architekt hier „davon gekommen ist“, hat er doch selbst mit seinem unklaren Honorarangebot und seiner Angabe gegenüber der Bank in erheblichem Umfang die Risiken für eine Haftung selbst geschaffen. Hier sollten Architekten sehr viel sorgfältiger agieren.

Ob eine Haftung des Architekten wegen Baukostenüberschreitung schon deshalb endgültig zu verneinen ist, weil der AG seinen Kostenvorstellung nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht hat (so ein wenig der Tenor im Urteil), erscheint darüber hinaus zweifelhaft; denn der BGH hat mit Urteil vom 21.03.2013 bereits vorgegeben, dass der Planer bereits in der Grundlagenermittlung die Kostenvorstellungen seines Auftraggebers selbstständig zu erfragen hat. Allein die Unterlassung einer solchen Frage gegenüber dem Bauherrn dürfte idR. eine Pflichtverletzung darstellen (vgl. hierzu auch Parallelbesprechung des Urteils).

Kontakt
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die Kanzlei:
Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck