https://www.baunetz.de/recht/Kenntnisnahme_einer_Bausummenueberschreitung_durch_Bauherrn_im_Rahmen_der_Vergabe_schliesst_Haftung_des_Architekten_nicht_aus_222000.html


Kenntnisnahme einer Bausummenüberschreitung durch Bauherrn im Rahmen der Vergabe schließt Haftung des Architekten nicht aus

Allein aus dem Umstand, dass der Bauherr in Kenntnis von Kostensteigerungen Bauunternehmer beauftragt, kann nicht geschlossen werden, dass der Bauherr das Bauvorhaben bei Aufklärung über die vollständigen Kosten ebenfalls durchgeführt hätte. Aus dem Umstand, dass der Bauherr im Rahmen der Ausführung deutlich werdenden Kostensteigerungen nicht widerspricht und das Bauvorhaben fortführen lässt, kann ebenfalls nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass er das Bauvorhaben in Kenntnis der hohen Kosten auch begonnen hätte.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Ein Sonderbereich der Architektenhaftung stellt die Haftung für Bausummenüberschreitungen dar.

Steht eine Haftung des Architekten wegen Bausummenüberschreitung dem Grunde nach fest, so bereitet die Feststellung des Schadens oft Probleme.

Beispiel
(nach Bundesgerichtshof , Urt. v. 11.11.2004 - VII ZR 128/03)
Ein Architekt war mit der Sanierung einer Villa beauftragt worden. Der Architekt hatte noch vor Vertragsschluss im Rahmen der Darstellungen einiger Varianten eine Sanierung mit DM 650.000,00 beziffert. Im Bauantrag wurden die Kosten vom Architekten mit DM 650.000,00 angegeben. In einer Kostenaufstellung gab der Architekt etwa einen Monat vor Vergabe der Aufträge an die Bauunternehmer die Kosten erneut mit DM 650.000,00 an. Etwa zwei Wochen vor Beginn der Vergabe erstellte der Architekt eine "Kostenschätzung", wonach die Baukosten ohne Abbrucharbeiten DM 779.000,00 betragen sollten. Nach Behauptung des Architekten waren für den Bauherrn im Rahmen der Vergabe weitere Kostensteigerungen in Höhe von ca. DM 230.000,00 erkennbar. Im Rahmen der Durchführung des Bauvorhabens sei auch der weitere erhebliche Kostenanstieg für den Bauherrn erkennbar gewesen. Die Kosten belaufen sich nach Fertigstellung auf rund DM 1.920.000,00. Nach einem eingeholten Sachverständigengutachten hätten bereits zur Zeit des Bauantrages Kosten von DM 1.340.000,00 vorhergesehen werden können.
 
Der Bauherr nimmt den Architekten für einen angeblichen Mindestschaden in Höhe von DM 1.000.000,00 in Haftung. Das OLG weist die Klage des Bauherrn ab. Eine Pflichtverletzung des Architekten sei nicht erkennbar. Im Übrigen sei bei der Vergabe der Aufträge die Kostensteigerung bereits erkennbar gewesen. Gleichwohl habe der Bauherr bis zum Ende der Baumaßnahme davon abgesehen, den Architekten zu einer Korrektur der Planung aufzufordern.
 
Der BGH sieht das anders und hebt das Urteil des OLG auf. Zunächst sei eine Pflichtverletzung entgegen der Ansicht des OLG anzunehmen (vgl. hierzu OLG Braunschweig, Urt. v. 07.02.2002). Allein aus dem Umstand, dass der Bauherr in Kenntnis der Kostensteigerungen die Bauunternehmer beauftragt habe, könne nicht geschlossen werden, dass er das Bauvorhaben bei richtiger Aufklärung ebenfalls durchgeführt hätte. Bei richtiger Aufklärung wäre dem Bauherrn bewusst gewesen, dass die Baukosten DM 1.340.000,00 betragen würden und deshalb das Bauvorhaben, wie der Bauherr behauptet, nach damaliger Einschätzung nicht rentabel war. Dann liege es nahe, dass er von dem Objekt Abstand genommen hätte, wenn er es ohne Verlust – wie er behauptet – hätte verkaufen können. Daraus dass es bereits bei der Beauftragung Kostensteigerungen im behaupteten Umfang von ca. DM 230.000,00 gegeben habe, könne nicht geschlossen werden, dass der Bauherr bereit war, auch eine deutlich höhere Kostensteigerung, die zu Unrentabilität führt, zu akzeptieren.
 
Aus dem Umstand, dass der Bauherr im Laufe der Baudurchführung den deutlich werdenden Kostensteigerungen nicht widersprochen hat und das Bauvorhaben fortführen ließ, kann nicht ohne Abwägung der gesamten Umstände geschlossen werde, dass er das Bauvorhaben in Kenntnis der hohen Kosten auch begonnen hätte. Das OLG habe unberücksichtigt gelassen, dass bei fortschreitenden Bauvorhaben ein wirtschaftlicher Zwang bestehen kann, das Bauvorhaben trotz steigender Kosten fortzuführen.

Hinweis
Kostensteigerungen werden Bauherrn in Fällen, in denen die Architekten wenig oder gar nicht Kostenermittlungen zur Aufklärung erstellen, in der Regel spätestens im Rahmen der Vergabe langsam bekannt. Kommt es zu Bausummenüberschreitungen, so wird seitens der Architekten häufig damit argumentiert, dem Bauherrn seien im Rahmen der Vergabe Kostensteigerungen bekannt gewesen, weshalb es sozusagen die eigene Schuld des Bauherrn sei, wenn er das Bauvorhaben nicht gestoppt habe. Einige Oberlandesgerichte sind solchen und ähnliche Auffassung bereits gefolgt (OLG Stuttgart, Urt. v. 09.10.1999). Das dieses Argument jedenfalls nicht immer durchschlägt, zeigt oben besprochenes Urteil.

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