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Kenntnis von Voraussetzungen wirksamer Vertragsstrafenvereinbarung – auch Pflicht des Architekten zur Rechtsberatung ?

Ein Architekt genügt nach Ansicht des OLG Hamm seinen regelmäßig in Anlehnung an die HOAI übernommenen Verpflichtungen, wenn er dem Bauherrn gängige Vertragsmuster mit Vertragsstrafen für den Bauunternehmer aushändigt. Er muss aber wissen, dass Vertragsstrafen in allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht ohne Festlegung einer Obergrenze wirksam vereinbart werden können.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

In den Leistungsphasen 6 und 7 schuldet der Architekt eine ordnungsgemäße Vorbereitung und Mitwirkung bei der Vergabe.

Nach der Einholung und Prüfung von (mehreren) Angeboten ist insbesondere die Vorbereitung der Vertragsbedingungen haftungsträchtig.
Beispiel
(nach OLG Hamm , Urt. v. 15.02.2005 - 21 U 27/04)
Der Architekt hat im Rahmen seiner in Anlehnung an die HOAI übernommen Pflichten den Verträgen mit den Handwerkern Formulartexte zugrunde gelegt. Darin waren Vertragsstrafen formuliert. Mangels Festlegung einer Obergrenze waren die Vertragsstrafenklauseln nach der zu der Zeit bereits bekannten Rechtsprechung unwirksam. Der Bauherr nahm daraufhin den Architekten wegen fehlerhafter Rechtsberatung in Anspruch.
Das Oberlandesgericht vertritt die Auffassung, dass der Architekt zwar grundsätzlich nicht zu einer rechtsberatenden Tätigkeit verpflichtet und berechtigt sei. Der Architekt muss jedoch – nach ständiger Rechtsprechung (vgl. hierzu Haftung / ... / Beratung bei Bauunternehmerverträgen) – die Grundsätze des Werkvertragsrechts beherrschen. Er müsse demnach auch wissen, dass Vertragsstrafen in allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht ohne Festlegung einer Obergrenze wirksam vereinbart werden können. Eine Haftung des Architekten komme daher nach Ansicht des Oberlandesgerichtes in derartigen Fallkonstellationen grundsätzlich in Betracht: Formulieren nein – Kennen ja. Der Architekt hatte Glück, weil der Bauherr eine vom Handwerker verursachte Bauzeitverzögerung nicht nachweisen konnte.
Hinweis
Diese Rechtsprechung versucht den Mittelweg zwischen den vertretenen Ansichten zu finden (großzügig noch OLG Hamm Haftung / ... / Entwurf Bauvertrag einerseits und streng OLG Brandenburg Haftung / ... / Formulierung der Vertragsstrafe andererseits). Nach wie vor sollte der Architekt sich meines Erachtens bemühen, dem Bauherrn verständlich zu machen, dass er eben kein Rechtsanwalt in Bausachen ist und deshalb für die Wirksamkeit von Klauseln in Bauverträgen keine Verantwortung übernehmen könne (vgl. zur Vorlage eines Musterbauvertrages durch den Architekten unter Haftung / ... / Entwurf Bauvertrag ). Auch unter Berücksichtigung des besprochenen Urteils wird deutlich, dass eine solche Aufklärung detailiert, eindeutig und nachweisbar sein muss (vgl. allgemein zu Möglichkeiten der Haftungseinschränkung durch entsprechende Aufklärung unter Haftung / Einschränkung und Ausschluss der Haftung / Handeln auf eigene Gefahr). Der Architekt muss sich aber unbedingt – und das ist gesicherte Rechtsprechung – bewusst sein, Baufachmann zu sein. Ihm wird in dieser Eigenschaft die Kenntnis der Grundsätze des Werkvertragsrechts abverlangt (vgl. hierzu BGH Haftung / ... / Beratung bei Bauunternehmerverträgen).
Für den Fall, dass der Architekt gleichwohl an der Formulierung eines Vertrages bzw. einer Vertragsstrafenklausel mitwirkt, sei auf den Beitrag Tips und mehr / .... / Vertragsstrafe hingewiesen.
Schließlich steht ein neues Rechtsberatungsgesetz unmittelbar bevor. Danach wird zu erwarten sein können, dass der Architekt im Rahmen der Erfüllung seines Auftrages rechtsberatend tätig werden darf mit der Folge, dass dies auch von ihm von der Praxis verlangt werden wird – was im de facto ohnehin schon häufig der Fall ist.

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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck