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Bei stufenweiser Beauftragung schriftlich getroffene Honorarvereinbarung auch für Abruf weiterer Leistungen wirksam!

Die bei stufenweiser Beauftragung des Architekten schriftlich getroffene Honorarvereinbarung über später zu erbringende Leistungen wird mit dem Abruf dieser Leistungen wirksam und ist deshalb „bei Auftragserteilung“ im Sinne des § 4 Abs. 1 HOAI getroffen.

Hintergrund
Macht der Architekt einen Honoraranspruch geltend, müssen für eine erfolgreiche Durchsetzung des Anspruchs verschiedene Voraussetzungen vorliegen.

Ist die HOAI anwendbar, ergibt sich das Honorar des Architekten in erster Linie aus einer im Rahmen der HOAI-Vorschriften getroffenen Honorarvereinbarung.

Im Geltungsbereich des § 4 HOAI ist für die Wirksamkeit der Honorarvereinbarung erforderlich, daß diese schriftlich bei Auftragserteilung vorgenommen wurde.

Beispiel
(nach BGH , Urt. v. 27.11.2008 - VII ZR 211/07 )
Ein Landkreis beauftragte einen Architekten mit einem Erweiterungsbau und einer Modernisierung eines Gymnasiums. Der schriftlich getroffene (RB BAU-)Vertrag bestimmt unter anderem:
 
„Der Auftraggeber überträgt dem Auftragnehmer die Leistung nach 3.2.
Er beabsichtigt, dem Auftragnehmer bei Fortsetzung der Planung und auch Durchführung der Baumaßnahme weitere Leistungen nach 3.3 bis 3.5 – einzeln oder im Ganzen – zu übertragen. Die Übertragung erfolgt durch schriftliche Mitteilung.
Der Auftragnehmer ist verpflichtet, diese weiteren Leistungen zu erbringen, wenn ihm vom Auftraggeber innerhalb von 36 Monaten nach Fertigstellung der Leistung nach 3.2 zumindest die Leistungen nach 3.4 übertragen werden.
Ein Rechtsanspruch auf Übertragung der Leistung nach 3.3 bis 3.5 besteht nicht.“
 
Die Leistungen nach Ziffern 3.3 und 3.4 umfassen im Wesentlichen die Grundleistungen der Leistungsphasen 5 bis 7, die Leistungen gemäß Ziffer 3.5 beziehen sich auf die Grundleistungen der Leistungsphase 8. In gleichen Vertrag haben die Parteien festgelegt, in welcher Honorarzone das Gebäude einzuordnen ist, welche Honorarsätze für die einzelnen Leistungen zu berechnen sind sowie dass der Honorarermittlung für die Leistungen nach 3.3 bis 3.5 die anrechenbaren Kosten nach Kostenfeststellung zugrunde zulegen sind.

Die Bauherrin ruft später die Leistungen auch nach den Ziffern 3.3 bis 3.5 des Vertrages ab, allerdings lediglich mündlich. Der Architekt rechnet schließlich seine Leistungen gemäß Ziffern 3.3 bis 3.5 des Vertrages, also die Leistungsphasen 5 bis einschließlich 8, nach der Kostenfeststellung ab; die Tatsache, dass der Architekt die Leistungsphasen 5 bis 7 nicht nach dem Kostenanschlag abrechnet, führt zu einer Honorarerhöhung, da die Kostenfeststellung höher ist als der Kostenanschlag.

Hiergegen wendet sich der Bauherr. Er ist der Ansicht, die Vereinbarung, dass die Leistungen der Leistungsphasen 5 bis 7 nach der Kostenfeststellung abzurechnen seien, führten zu einer Mindestsatzüberschreitung und bedürften daher der Schriftform bei Auftragserteilung gemäß § 4 Abs. 1 HOAI. Vorliegend fehle es an einer solchen Schriftform bei Auftragserteilung, da die weiteren Leistungen der Ziffern 3.3 bis 3.5 lediglich mündlich abgerufen worden seien. Entsprechend habe der Architekt die Leistungen der Leistungsphasen 5 bis 7 nach dem Kostenanschlag abzurechnen.
 
Dem Argument des Bauherrn folgert der BGH nicht. Richtig sei, dass sich das Honorar des Architekten gemäß § 4 Abs. 1 nach einer schriftlichen Vereinbarung, die die Vertragsparteien bei Auftragserteilung im Rahmen der Mindest- und Höchstsätze getroffen hätten, richte. Wenn es an einer schriftlichen Vereinbarung bei Auftragserteilung fehle, würden gemäß § 4 Abs. 4 HOAI die Mindestsätze gelten. Auftragserteilung im Sinne des § 4 Abs. 4 sei der Vertragsschluss. Der BGH geht weiter davon aus, dass es aufgrund der Vereinbarungen der Parteien, die Leistungsphasen 5 bis 7 seien nach der – höheren – Kostenfeststellung abzurechnen, tatsächlich hier einer schriftlichen Vereinbarung bei Auftragserteilung bedürfe.
 
Entgegen der Ansicht der Bauherrin liege aber hier eine solche schriftliche Honorarvereinbarung bei Auftragserteilung vor.  Der BGH stellt nun zunächst dar, dass die Frage, ob eine Honorarvereinbarung „bei Auftragserteilung“ im Sinne des § 4 auch angenommen werden können, wenn preisliche Vereinbarungen bei Auftragserteilung bereits vorliegen, also im Voraus getroffen seien, in Rechtsprechung und Literatur umstritten und höchstrichterlich noch nicht entschieden sei. Der BGH entscheidet sodann, dass eine Honorarvereinbarung, die für den Fall getroffen wird, dass die ihr zugrunde liegenden Leistungen zu einem späteren Zeitpunkt beauftragt würden, jedenfalls dann wirksam sei, wenn die auszuführenden Leistungen und das dafür zu beanspruchende Honorar von den Vertragsparteien schriftlich festgelegt werde und der Auftraggeber den weiteren Auftrag später abrufe. Der Zweck der Regelung des § 4 HOAI – Klarstellungs- und Schutzfunktion zu Gunsten des Auftraggebers – werde hinreichend auch in einem solchen Falle erreicht. Voraussetzung sei allerdings, dass tatsächlich die Leistungen, die der Honorarvereinbarung zugrunde lagen, auch beauftragt würden.

Hinweis
Die Entscheidung des BGH ist für die Parteien des Architektenvertrages hilfreich. Sie entbindet in der Regel insbesondere den Architekten, sich bei Abruf einer weiteren Leistungsstufe jeweils neu um eine schriftliche Honorarvereinbarung kümmern zu müssen. Zu beachten ist allerdings, dass – soweit ersichtlich – der BGH nicht grundsätzlich jegliche schriftlich getroffene Honorarvereinbarung vor Auftragserteilungen gutheißt; denn er bezieht sich konkret auf die Besonderheiten der stufenweisen Beauftragung. Hier treffen die Parteien für später zu erbringende Leistungen sozusagen vorab ein Honorarvereinbarung unter der Bedingung, dass die der Vereinbarung zugrunde liegende Leistung (und keine andere) tatsächlich abgerufen wird.

Vergleiche auch BGH Urt. v. 18.12.2008 - VII ZR 189/06 zu einem bedingten Vertrag ohne Abrufoption.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck