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Aufklärungspflicht des Architekten bei Vorliegen eines Ausnahmefalls i.S.d. § 4 II HOAI?

Nach Ansicht des OLG Düsseldorf hat ein Architekt einen potentiellen Auftraggeber über das Vorliegen eines Ausnahmefalls im Sinne des § 4 II HOAI aufzuklären; unterlässt er dies und fordert später die Mindestsätze, so ist er Schadensersatzansprüchen des Bauherrn ausgesetzt.
Hintergrund
Macht der Architekt einen Honoraranspruch geltend, müssen für eine erfolgreiche Durchsetzung des Anspruchs verschiedene Voraussetzungen vorliegen.

Ist die HOAI anwendbar, ergibt sich das Honorar des Architekten in erster Linie aus einer im Rahmen der HOAI-Vorschriften getroffenen Honorarvereinbarung.

Voraussetzung einer wirksamen Honorarvereinbarung ist u.a. die Einhaltung der Mindestsätze und Höchstsätze, es sei denn es liegt ein Ausnahmefall des § 4 II oder § 4 III HOAI vor.
Beispiel
(nach BGH (OLG Düsseldorf) , Urt. v. 15.04.1999 - VII ZR 309/98 -, BauR 1999, 1044)
Architekt und Bauherr lernten sich als Mitglieder desselben Tennisvereins kennen und dutzten sich. Der Architekt war bereits im Ruhestand, aber noch Mitglied der Architektenkammer. Für den Bauherrn erbrachte er Planungsleistungen gemäß § 15 II Nr. 1 bis 4 HOAI im Rahmen der Aufstockung eines Bungalows. Ein bestimmtes Honorar wurde zwischen den Parteien nicht vereinbart. Nachdem eine Baugenehmigung erteilt worden war, führten Meinungsverschiedenheiten zur Beendigung des Vertragsverhältnisses. Hierauf rechnet der Architekt seine Leistungen unter Zugrundelegung der HOAI-Mindestsätze ab. Der Bauherr wendet ein, auf Grund des besonderen Verhältnisses zwischen ihm und dem Architekten habe ein Ausnahmefall im Sinne des § 4 II HOAI vorgelegen; hierüber und über die Voraussetzungen einer wirksamen Honorarvereinbarung gemäß § 4 II HOAI hätte der Architekt ihn aufklären müssen.

Das LG hatte der Klage des Architekten noch voll stattgegeben. Das OLG folgte der Ansicht des Bauherrn und hob das landgerichtliche Urteil teilweise auf. Dem Bauherrn stände ein Schadensersatzanspruch (wegen Verschuldens bei Vertragsschluss) in Höhe von 50 % des Honorars zu. Es läge ein Ausnahmefall im Sinne des § 4 II HOAI vor. Hierüber hätte der Architekt den Bauherrn informieren müssen. In Folge der unterlassenen Aufklärung sei es dem Bauherrn nicht möglich gewesen, ein die Mindestsätze der HOAI unterschreitendes Honorar wirksam zu vereinbaren. Gegen das Urteil des OLG wurde Revision zum BGH eingelegt; allerdings befand der BGH nicht über die Frage, ob eine unterlassene Aufklärung über das Vorliegen eines Ausnahmefalls einen Schadensersatzanspruch begründen könne; denn nach Ansicht des BGH lag in diesem Fall schon bereits ein Ausnahmefall im Sinne des § 4 II nicht vor (s. hierzu Honoraranspruch / .. / gemeinsame Clubmitgliedschaft).
Hinweis
Die Frage, ob und inwieweit ein Architekt einen potentiellen Bauherrn über das Vorliegen eines Ausnahmefalls im Sinne des § 4 II aufklären muss, damit diesem Gelegenheit gegeben werden kann, ein mindestsatzunterschreitendes Honorar wirksam zu vereinbaren, ist bisher relativ ungeklärt. Eine Aufklärungspflicht darüber anzunehmen, daß ein Ausnahmefall vorliegt (vorliegen könnte), erscheint in mancherlei Hinsicht nicht unproblematisch. Die Tatsachen, die zur Annahme eines Ausnahmefalls im Sinne von § 4 II HOAI führen, werden i. d. R. auch dem Bauherrn bekannt sein; kommt dieser dann nicht selber "auf die Idee", nach einem niedrigeren Honorar zu fragen, erscheint es zweifelhaft, warum der Architekt die Pflicht haben sollte, auf die Möglichkeit einer Honorarvereinbarung hinzuweisen, die ihm nicht einmal die "Mindest-" Sätze einbrächte. Im übrigen wird der Architekt i.d.R. kaum die Frage beurteilen können, ob ein Ausnahmefall vorliegt (bereits die Gerichte können sich hierüber nicht einigen).

Anders mag es sich verhalten, wenn der Bauherr ausdrücklich nach einem besonders niedrigen Honorar fragt und eine entsprechende mindestsatzunterschreitende Honorarvereinbarung unter Berufung auf die Tatsachen, die den Ausnahmefall im Sinne des § 4 II HOAI begründen, treffen möchte; in diesem Fall erscheint die Annahme einer Aufklärungspflicht über die besonderen Voraussetzungen, die für eine wirksame Vereinbarung eines mindestsatzunterschreitenden Honorars erforderlich sind, als angemessen. Hier kann der Architekt nicht eine entsprechende mündliche und damit unwirksame Honorarvereinbarung mit dem Bauherrn treffen, diesen zur Auftragserteilung veranlassen und später unter Berufung auf das Fehlen der Wirksamkeitsvoraussetzung den Mindestsatz fordern.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck