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12.10.2004

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Eine Frage der Ehre

SOM bauen Armeemuseum in Virginia - mit Kommentar der Redaktion


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Das erste „Nationale Armee-Museum“ der USA wird in Fort Belvoir/Virginia bei Washington von dem amerikanischen Großbüro Skidmore Owings & Merrill (SOM) gebaut. Das Büro hat den entsprechenden Wettbewerb gewonnen, wie die amerikanische Armee und die „Army Historical Foundation“ am 7. Oktober 2004 bekanntgaben. Das Museum soll „Multimedia Entertainment“ mit „Brand-Name Architecture“ verbinden.

Das 200 Million US-Dollar teure „Museum und Vergnügungszentrum“ wird zwölf Meilen südlich vom Pentagon gebaut. Das 23.700 Quadratmeter große Museum soll am 14. Juni 2009 eröffnet werden.
Zum Raumprogramm gehören ein Paradeplatz, auf dem Schlachten simuliert werden, und ein großer Simulator, wie man ihn von Rummelplätzen kennt. Die Firma Universal Studios ist als Berater tätig. Die Armee soll nach Meinung der Architekten von dem Projekt „profitieren“.
Das Museum bietet Raum für die über 500.000 historische Exponate zählende Sammlung, Forschungsräume, Restaurants und Läden.
22 Architekten hatten an dem Wettbewerb teilgenommen, von denen vier in die Endauswahl gelangten: Neben SOM waren dies Rafael Viñoly, James Stuart Polshek und Michael Graves.

Die beiden Projektleiter von SOM, David Childs und Roger Duffy, mussten sich die Frage stellen, wie „man die Armee feiert, ohne Krieg zu glorifizieren“. Sie wollten in ihrer Architektur zwar ohne viel „Brustklopfen und 'Look how powerful we are'“ auskommen, aber dennoch „Ehre, Mut und Dienstbereitschaft der Soldaten“ ausdrücken.

SOM haben für ihren Entwurf Motive der Verteidigungsarchitektur wie Erdwälle, Schützengräben und Burggräben verwendet. Eine lange Flussbrücke führt über eine runde, festungsartige Steinmauer zum Paradeplatz mit Amphitheater, dessen 400 Sitze aus dem Gras herauszuwachsen scheinen. Hier sollen einmal Trommelcorps der Revolutionsarmee oder Helikopter aus der Vietnamkriegs-Ära ihre Vorführungen abhalten.
Ein Baublock im Zentrum und zwei flankierende runde Bauten wirken, als würden sie „wie ein Gefechtsturm mit dem Land verschmelzen“ (Duffy).

Die Innenräume sollen eine „Umgebung zum vollständigen Eintauchen“ sein. Im „Granate“ genannten Flügel soll ein Simulator aufgestellt werden, der Besuchern das Gefühl einer Jeep-Fahrt über ein Schlachtfeld vermitteln soll.
Schauspieler sollen in dem Haus umherwandeln und kleine Szenen aufführen, die auf Briefen von der Front, Nachrichtensendungen oder Tagebüchern von Soldaten basieren.
Im Zentrum des Museums liegt eine überkuppelte Eingangsrotunde mit einem Okulus, der „vom Pantheon in Rom inspiriert wurde“ (Duffy) und wie eine Kameralinse Licht in die Innenräume wirft. Historische Soldatenbilder sollen auf die Decke projiziert werden und die Gesichter berühmter Kämpfer an ihren jeweiligen Geburtstagen illuminiert werden.

Am 11. Oktober 2001 wurde das Baugrundstück vom Center for Military History genehmigt. Im Juni 2004 hat der amerikanische Kongress die ersten zwei Millionen US-Dollar für die Anschubfinanzierung bewilligt. Der Army Historical Foundation gehören u.a. George H. W. Bush, Bob Dole und Norman Schwarzkopf an. Das Center for Military History, Bestandteil der Armee, wird für das Personal und den Betrieb des Museums zuständig sein. Obwohl die Architekten vorgeben, dass das Museum „informieren und nicht den Krieg zelebrieren soll“, stellen sie Narratives über das Leben normaler Soldaten in den Vordergrund, „ihre Gesichter und Geschichten“, um die Besucher „emotional zu involvieren“.


Kommentar der Redaktion:

Saving Private Childs

Weil die zunehmende Zahl getöteter amerikanischer Soldaten im Irakkrieg derzeit die Anzahl der Rekruten in den USA rapide sinken lässt, hat sich die US-Armee etwas einfallen lassen, wie die amerikanische Bevölkerung über das Leben als Soldat „aufgeklärt werden kann“. Zwar hatte schon Vitruv attestiert, dass „die Kriegskunst die Mutter der Baukunst“ sei, im Falle des nationalen Armeemuseums steht jedoch zu befürchten, dass aus Didaktik, Architektur und Unterhaltung eine ungute Mischung entsteht. Krieg und Entertainment passen nicht zusammen.

Es ist nicht ohne Ironie, dass der selbe Architekt, David Childs, der am authentischen Ort Ground Zero in New York dafür (mit-)verantwortlich ist, dass aus dem ambitionierten Plan von Daniel Libeskind eine bestenfalls mediokre Business-Architektur wird, nur wenige hundert Kilometer südlich von Manhattan, in Virginia einen "Themenpark des Krieges" entwirft, der jeglicher Authentizität von Leiden und Tod des Krieges entbehrt.
Dieses Museum passt nicht in unsere Zeit, auch weil einmal mehr die Aufmerksamkeit ausschließlich auf die Kriegsbeteiligten gelenkt wird, anstatt auf die empörend hohe Anzahl unschuldiger Zivilisten, nicht selten Alte, Frauen und Kinder, die (nicht nur) im Irakkrieg sterben, der keine überzeugende Rechtfertigung genießt.

Ulf Meyer


 
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