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https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen_Eroeffnung_des_Felix-Nussbaum-Hauses_von_Daniel_Libeskind_in_Osnabrueck_3885.html

15.07.1998

Ein Museum gegen das Vergessen

Eröffnung des Felix-Nussbaum-Hauses von Daniel Libeskind in Osnabrück


Am 16. Juli 1998 wird in Osnabrück mit dem Felix-Nussbaum-Haus das erste vollendete Bauwerk des Architekten Daniel Libeskind eröffnet. Die nach knapp zweijähriger Bauzeit fertiggestellte und ca. 14 Millionen Mark teure Erweiterung des Kulturgeschichtlichen Museums ist einem der berühmten Söhne der Stadt, dem 1904 geborenen und 1944 in Auschwitz ermordeten Maler Felix Nussbaum, gewidmet.
Für die seit den siebziger Jahren kontinuierlich erweiterte Sammlung von Werken Nussbaums hat Libeskind einen spektakulären Bau geschaffen, der die Biographie des Malers, seine Arbeiten sowie die Geschichte des Ortes eng miteinander verknüpft und durch die Thematisierung dieses Einzelschicksals der Erinnerung an den Holocaust einen architektonischen Ausdruck verleiht.
1995 war Libeskind mit seinem im Verlauf der Planungen geringfügig modifizierten Entwurf als Sieger aus einem Wettbewerb hervorgegangen. Auf dem Grundstück am Rand der Osnabrücker Altstadt spürte der Architekt, der Stadtpläne und Landkarten einmal als „Gedächtnisbücher der Welt“ bezeichnete, imaginäre Bezugslinien zwischen bestehenden Altbauten, einer bei Grabungsarbeiten entdeckten Brücke, der zerstörten Synagoge der Stadt, dem Konzentrationslager Auschwitz und anderen Orientierungspunkten auf und entwickelte auf diesem Spannungsfeld das neue Museum. Drei Hauptelemente – das Nussbaum-Haus (Eichenholzfassade), die Nussbaum-Brücke (Zinkblech), die auch den Altbau miteinbezieht, und der Nussbaum-Gang (Sichtbeton) – überschneiden und durchdringen sich auf einer dreieckigen Grundrißkonfiguration. Sie repräsentieren die Lebens- und Schaffensphasen des Malers und werden vom Besucher in einer Art Rundgang durchschritten.
Das Gebäude erschließt sich von keiner Stelle aus betrachtet auf einen Blick, und daß der Besucher trotz zahlreicher Aus- und Durchblicke sowie vertikaler Verbindungen zwischen den einzelnen Geschossen immer wieder die Orientierung verliert, ist erklärter Wille des Architekten. In labyrinthischen Raumfolgen, auf geneigten Fußböden und unter wechselnden Lichtverhältnissen soll er auf seinem Weg eine Andeutung der Unsicherheit und Haltlosigkeit des von den Nazis gejagten Künstlers nachempfinden. Neben den Ausstellungsräumen, die eine Gesamtfläche von etwa 900 Quadratmetern umfassen, sind im Neubau ein kleiner Vortragsraum, ein Archiv, Büros und eine Cafeteria untergebracht.
Inhaltliche und formale Ähnlichkeiten zwischen dem vor der Fertigstellung stehenden Jüdischen Museum in Berlin und dem später entworfenen, viel kleineren Nussbaum-Haus fallen ins Auge, ohne dabei den Stellenwert des bemerkenswerten Osnabrücker Neubaus zu mindern: das Thema als solches, der historische und philosophische Überbau, der spannungsgeladene Dialog mit der Altbausubstanz, die Fensterschlitze oder das vom Nussbaum-Gang abgetrennte, sogenannte vertikale Museum tragen die typische Handschrift des Architekten. Daß aber gerade die kleine und als eher konservativ geltende niedersächsische Stadt vor Berlin und London den ersten Libeskind präsentieren kann, erfüllt die Verantwortlichen mit verständlichem Stolz.

Fotos: Bitter Bredt, Berlin

Lesen Sie zur Eröffnung des Jüdischen Museums Berlin einen ausführlichen Bericht der BauNetz-Redaktion.


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