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25.11.2005

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Halle des Volkes

Einkaufszentrum in Weimar eröffnet – mit Kommentar


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Im ehemaligen Gauforum in Weimar wird am 25. November 2005 das Einkaufszentrum „Weimar-Atrium“ eröffnet. Als Entwickler, Bauträger und Architekt trat dabei Josef Saller (Weimar) auf.

Die ehemaligen Halle des Volkes des Gauforums Weimar wurde zu einem Einkaufszentrum umgestaltet, das neben Einzel- und Großhandelsflächen auch ein „italienisches Dorf“ beherbergt, das aus einem Kino, Restaurant, Fitness-Studio und Bowling-Bahn besteht.
Der Versuch, die Halle des Volkes in den 50er Jahren zu sprengen, schlug fehl, da die Betonkonstruktion den Detonationen standhielt. In den 60er Jahren wurden in die Halle mehrere Etagen für Lagerzwecke eines Textilbetriebes gebaut und die Fassade mit Betonrippen verkleidet. Über zwanzig Jahre stand der Bau danach leer. Saller hat die Etagen für die Einzelhandelsflächen beibehalten und für deren Belichtung ein längliches Oberlicht in das Dach geschnitten. Die Rippenfassade wurde mit einer vorgestellten Glasfassade verkleidet, womit das Gebäude als großer weißer Kubus erscheint.

Kommentar:

Das Weimarer Gauforum war das einzige fertig gestellte Ensemble seiner Art im 3. Reich. Für den Bau dieses megalomanen Projekts wurden 1935 über 200 Gebäude abgerissen – mehr als in den folgenden Jahren durch Luftangriffe zerstört wurden. Die beiden Flügel wurden seit DDR-Zeiten als Landesamt und Uni-Bibliothek genutzt, der Kopfbau beherbergt eine Berufsschule.
Zu keiner Zeit hat die Stadt Weimar ein kritisches Verhältnis zu ihrem Erbe der NS-Diktatur entwickelt und eine Position zu ihrer künftigen Nutzung bezogen. Der Bau wurde als Bürohaus arglos weitergenutzt, ohne dass irgendwo auch nur ein Anzeichen einer ehrlichen Aufarbeitung der Vergangenheit zu finden wäre. Genauso harmlos wurde mit der Parteischule der NSDAP verfahren, in der heute das Ordnungsamt untergebracht ist. In Weimar, wo kein honoriger Gast versäumt, nach einem Hohelied auf Goethe und Schiller auch auf den Schrecken der NS-Vernichtungspolitik in Buchenwald hinzuweisen, scherte man sich nicht um die historische Hypothek dieser Gebäude.
Für den Umbau des Gauforums hätte man die Frage klären müssen, was man mit diesem heiklen Relikt in Zukunft machen möchte. Für eine Umnutzung und eine Veränderung der Halle des Volkes hätte man einen Architektenwettbewerb ausloben müssen. Diese Chance hat Weimar vertan, indem man einem Einkaufszentrum die Möglichkeit gab, der Arglosigkeit Kontinuität zu verleihen.
Von der architektonischen Gestaltung, die selbst noch die DDR-Rippen unterbietet, einmal ganz zu schweigen.

Arne Winkelmann

Bezüglich des Gebäudetypus’ sei auf einen älteren Buchtitel „Gauforen. Zentren der Macht“ verwiesen, der hier online bestellt werden kann.


 
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