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09.11.2017

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Mies ganz nackt

Zwischenbesuch bei der Sanierung der Neuen Nationalgalerie


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Der Zeitplan steht, die Kosten steigen um knapp 10 Millionen, und das Haus ist roh und leer wie zuletzt zum Richtfest: Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung hat bei einem Baustellenrundgang den aktuellen Stand der Sanierung von Mies van der Rohes Neuer Nationalgalerie vorgestellt.

Von Jasmin Jouhar

Die Zeit um 50 Jahre zurückdrehen? In der Architektur geht das! Die Neue Nationalgalerie in Berlin sieht gerade – mitten in den Sanierungsarbeiten – wieder aus wie 1967, zum Richtfest. Das Ausstellungshaus von Ludwig Mies van der Rohe hat sich in einen Rohbau zurückverwandelt: die nackte Konstruktion. Entkleidet von Granitplatten, Holzvertäfelungen, Teppichböden, abgehängten Decken und Zwischenwänden, beweist das Gebäude, dass nicht alle Qualitäten einer großen Architektur unbedingt sichtbar sein müssen. Was sonst versteckt ist, tritt jetzt zutage: Wie atemberaubend weit das rund 3.500 Quadratmeter große Untergeschoss eigentlich ist. Wie geometrisch sauber die Betondecken und –stützen konstruiert sind. Wie fein und scharf die Stahldetails tatsächlich profiliert sind.

Diesen vorübergehenden Zustand präsentierten gestern bei einem Baustellenrundgang das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz als Bauherr und die Staatlichen Museen zu Berlin als Nutzer. Nicht nur die komplette Leitungsprominenz der Institutionen nahm teil – sogar Mies’ Enkel Dirk Lohan war aus Chicago angereist. Einst Projektleiter beim Bau der Neuen Nationalgalerie, berät er heute zusammen mit Fritz Neumeyer die Architekten vom Büro David Chipperfield Architects bei den Sanierungsmaßnahmen – als „gute Seele des Projekts“, wie ihn die Bauherren nannten.

Dirk Lohan war voll des Lobs für die Architekten: „Das Büro von David Chipperfield ist eine außerordentlich gute Wahl. Sie gehen sehr respektvoll und sensibel mit dem Haus um.“ Seine eigene Aufgabe sieht er darin, dafür zu sorgen, dass die Ästhetik des Hauses gewahrt bleibe. „Ich bin überzeugt, die Sanierung wird ein großer Erfolg“, sagte der in Berlin geborene Architekt, der mit 19 Jahren seinem Großvater nach Amerika gefolgt war. Lohan setzte damit den Ton: Alle Projektbeteiligten zeigten sich in bester Stimmung, man sei im Zeitplan und rechne fest mit der Eröffnung 2020. Selbst beim Thema Baukosten kamen keine Misstöne auf. Auch wenn die rasante Baukonjunktur und einige unangenehme Überraschungen während der Demontage zusätzlich Geld kosten: „Wir liegen im 2014 errechneten Kostenrahmen von 100 Millionen Euro“, sagte Arne Maibohm vom Bundesamt für Bauordnung und Raumwesen, das die Sanierung durchführt. Dazu kämen allerdings knapp 10 Millionen Euro aus dem Risiko-Budget. Insgesamt gehen die Verantwortlichen also jetzt von etwa 110 Millionen Gesamtkosten aus. Vor allem der Betonfraß vermiest den Planern die Zahlen: Während etwa das Stahldach auch nach 50 Jahren noch in gutem Zustand ist, erwiesen sich Betonmauern und -decken unter ihrer Verkleidung als unerwartet stark angegriffen. Sie müssen nun aufwändig saniert werden.

Schon im Gange sind die Arbeiten an der Stahl-Glas-Fassade der oberen Ausstellungshalle, die ersten Scheiben fehlen. Verrostete Profile werden überarbeitet und gerichtet, neue Dehnungspfosten sollen die Konstruktion flexibler für Temperaturschwankungen machen. Die schwierige Aufgabe für die Planer: einerseits bessere klimatische Bedingungen schaffen und andererseits so wenig wie möglich die Integrität des Denkmals angreifen. „So viel Mies wie möglich“, lautet die Devise. Außerdem erhält die Neue Nationalgalerie im Sockel unter dem Eingangsbereich neue Depoträume. Die Baugrube an der Potsdamer Straße ist bereits ausgehoben, die Flächen werden als Ersatz für die beiden bisherigen Depots direkt an der großen Treppenhalle im Untergeschoss dienen. Hier richten die Architekten eine Garderobe und einen Buchladen ein – Nutzungen, die bis zur Schließung 2014 immer nur improvisiert gelöst waren.

Desweiteren erneuern die Planer die gesamte technische Gebäudeausrüstung mit Fußbodenheizung, Klimatechnik und Leitungssystem. 2019, so verlangt es der Zeitplan, sollen alle Arbeiten abgeschlossen sein. Dann werden auch alle rund 35.000 ausgebauten und eingelagerten Bauteile wieder an ihrem Platz sein, und die Staatlichen Museen können die Eröffnung vorbereiten. Bleiben also noch knapp zwei Jahre, um 50 Jahre Zeitreise wieder rückgängig zu machen.


Zum Thema:

Mehr über die Sanierung und Erweiterung auch in der Baunetzwoche#393: Der Mies'sche Patient


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Kommentare

4

stullemitbrot | 10.11.2017 14:50 Uhr

noch mehr Nationalgalerie

Die Staatlichen Museen zu Berlin führen übrigens einen sehr lesenswerten und gut gemachten Blog über die Sanierungsarbeiten, inkl. baulicher Details. Einfach smb blog Nationalgalerie googeln (BauNetz lässt mich keinen Link posten).

3

0815 Architekt | 10.11.2017 13:28 Uhr

mehr davon

Ich schließe mich an: sehr interessant, ähnliches würde ich gern öfter lesen/sehen! Auch über weniger prominente Sanierungen.

Und ja: die Nörgler/Besserwisse hier nerven

2

oli | 10.11.2017 07:54 Uhr

Mal ein großes Lob

Es gibt halt solche, denen fällt außer plumper Nörgelei nichts ein ("wird da jesus ausgegraben"...). Aber ich finde, hier ist auch mal ein großes Lob fällig:
Täglich bekommen die Leser hier fertige Bauwerke in oft guter Qualität präsentiert, ergänzt um textliche Informationen. Und nun präsentiert das Baunetz den Zwischenstand einer Baustelle eines doch allgemein bekannten und hochverehrten Bauwerks. Das ist doch mal mindestens genauso interessant. Wir haben doch alle mit Baustellen zu tun, wir machen doch alle tausende Fotos von diesen und nicht selten von Bauresten, die eigentlich weg sollten. Dass das Baunetz hier gut ausgewählte und vor allem jeweils kurz kommentierte Bilder dieser Baustelle zeigt, finde ich wunderbar. Eindeutig: Mehr davon.

1

auch ein | 09.11.2017 16:01 Uhr

architekt

bild 4 ist super!
ein loch im dreck und ein zaun.

was macht das BAUNETZ da?????

wird da jesus ausgegraben?

 
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Die Rohbaukonstruktion des Podiums der Neuen Nationalgalerie; alle Granitplatten wurden kartiert und kommen später wieder an die ursprüngliche Position. Foto: BBR / Fotograf Thomas Bruns

Die Rohbaukonstruktion des Podiums der Neuen Nationalgalerie; alle Granitplatten wurden kartiert und kommen später wieder an die ursprüngliche Position. Foto: BBR / Fotograf Thomas Bruns

Als nächster wichtiger Schritt steht die Sanierung der Fassade der oberen Halle an.

Als nächster wichtiger Schritt steht die Sanierung der Fassade der oberen Halle an.

Die Räume im Sockel ohne Zwischenwände, links die Fensterfront zum Skulpturengarten

Die Räume im Sockel ohne Zwischenwände, links die Fensterfront zum Skulpturengarten

Blick von oben in die Baugrube entlang der Potsdamer Straße. Hier entstehen gerade die neuen Depoträume.

Blick von oben in die Baugrube entlang der Potsdamer Straße. Hier entstehen gerade die neuen Depoträume.

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