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13.09.2017

Synagogenbau der Nachkriegsmoderne

Zum 100. Geburtstag von Hermann Zvi Guttmann


Es gab nur sehr wenige jüdische Architekten, denen es gelang, nach  Ende des Zweiten Weltkrieges in Deutschland tätig zu werden. Hermann Zvi Guttmann gehört zu ihnen, er avancierte in den Jahrzehnten der Nachkriegsmoderne zu einem der wichtigsten Architekten des Synagogenbaus. Heute vor 100 Jahren wurde er geboren.

Von Alexandra Klei

Hermann Guttmann wuchs in einem deutschsprachigen und streng religiösen Haushalt in der kleinen, zunächst schlesisch-österreichischen, ab 1920 dann polnischen Stadt Bielsko auf, sein Vater war selbständiger Kaufmann. Nach dem Besuch des Gymnasiums ging Guttmann nach Krakau, wo er ab September 1938 Philosophie und Germanistik studierte. Bereits ein Jahr später musste er die Jagiellonen-Universität mit dem Überfall der Deutschen auf Polen wieder verlassen. Er floh in das von der Sowjetunion verwaltete Lemberg/Lwów (heute Lwiw, Ukraine) und begann dort an der Polytechnischen Hochschule ein Architekturstudium. Auch das musste er im August 1941 erneut mit dem Einmarsch der Deutschen aufgeben. Gemeinsam mit einigen Mitgliedern seiner Familie wurde er von den Sowjets in ein sibirisches Arbeitslager deportiert.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges erreichte Hermann Guttmann 1946 das Camp für displaced persons im bayerischen Pocking. Guttmann wartete hier gemeinsam mit seiner Mutter und seiner Schwester wie die meisten zu dieser Zeit in Deutschland lebenden Juden auf seine Ausreise nach Palästina oder in die USA. Als sich dies als nicht möglich erwies, nahm er im Sommersemester 1948 an der Technischen Hochschule München sein Architekturstudium wieder auf, das er im Wintersemester 1950/51 mit dem Staatsexamen abschloss. Im April 1952 heiratete er die Kinderärztin Gitta Torenberg, mit der er Ende des Jahres nach Frankfurt am Main zog. Bereits fünfunddreißigjährig begann Hermann Zvi Guttmann dort schließlich als Architekt zu arbeiten.

Rund zwei Dekaden währte seine Karriere, die Mitte der Fünfzigerjahre mit den ersten Fertigstellungen an Fahrt aufnahm. Es entstanden sechs jüdische Gemeindezentren, drei jüdische Altenheime, zwei Trauerhallen für jüdische Friedhöfe und zwei Denkmale. Er errichtete zudem ein jüdisches Kinderheim sowie drei Betsäle in bestehenden Gebäuden jüdischer Gemeinden und eine unbekannte Zahl an Mikwaot – jüdischen Bädern – sowie Wohn- und Geschäftshäuser. Dabei ist nicht bekannt, dass Guttmann auch für nichtjüdische Bauherren tätig werden konnte. Zu seinen bekanntesten Gebäuden zählen die Synagogen in Offenbach (eröffnet 1956), Düsseldorf (eröffnet 1958) und Hannover (eröffnet 1963) und das jüdische Mahnmal auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau (eingeweiht 1967).

Seine Architektur entstand in einer Zeit des städtischen Wiederaufbaus in Deutschland, in der auch einige kleine jüdische Gemeinden neu entstanden und sich langsam etablierten. Guttmann begleitete diese Prozesse nicht nur mit seiner fachlichen Expertise als Architekt, sondern auch durch seine jahrelange Arbeit im Gemeinderat in Frankfurt und in zahlreichen anderen jüdischen Institutionen. Entscheidend für seine Arbeit als Architekt war sein Bestreben, den jungen Gemeinden den Raum zu geben, der ihren Bedürfnissen entsprach und dabei gleichzeitig Formen zu finden, die einer zeitgemäßen Architektursprache gerecht wurden. „Architektur nach der Shoah“ bedeutete hier allerdings auch, dass die Synagogen und Gemeindezentren an die städtischen Peripherien gedrängt wurden, da die Politik ihre Errichtung in den Innenstädten nicht unterstützte.

Hermann Zvi Guttmann starb am 23. Juni 1977 im Alter von 59 Jahren in Frankfurt am Main. Sein Grab befindet sich in Jerusalem (Israel) auf dem Friedhof Har ha-Menuchot.


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Hermann Zvi Guttmann, ohne Datum, Archiv HZG

Hermann Zvi Guttmann, ohne Datum, Archiv HZG

Synagoge mit Gemeindezentrum in Hannover, im Vordergrund: Zugang in den Vorhof, 1963 fertiggestellt, Foto: Alexandra Klei

Synagoge mit Gemeindezentrum in Hannover, im Vordergrund: Zugang in den Vorhof, 1963 fertiggestellt, Foto: Alexandra Klei

Taharahaus auf dem Jüdischen Friedhof in Ausgburg, Foto: Alexandra Klei

Taharahaus auf dem Jüdischen Friedhof in Ausgburg, Foto: Alexandra Klei

Synagoge mit Gemeindezentrum in Offenbach, 1956 fertiggestellt, 1998 von Alfred Jacoby umgebaut, Foto: James Michael DuPont / CC BY-SA3.0 / Wikimedia

Synagoge mit Gemeindezentrum in Offenbach, 1956 fertiggestellt, 1998 von Alfred Jacoby umgebaut, Foto: James Michael DuPont / CC BY-SA3.0 / Wikimedia

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