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25.11.2016

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Abgestufter Wilhelminismus

Umbau von kadawittfeldarchitektur in Köln


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Schon seine Bezeichnung als „ehemalige Bahndirektion“ zeigt, dass dieses Gebäude aus einer ganz anderen Zeit stammt. Für den Verwaltungssitz der „Königlichen Eisenbahndirektion zu Cöln“ wurde diese mächtige Architektur in den Jahren 1906 bis 1913 errichtet – dicht an Dom und Rhein und der ebenfalls vom Anfang des 20. Jahrhunderts stammenden Hohenzollernbrücke.

Mit ihrer klaren Fassadengliederung, dem leicht abgesetzten Mittelrisalit und den zugleich massiven Dimensionen ist die Bahndirektion in Köln eine monumentale Version des klassizistischen Schlossbaus. Kritiker des Wilhelminismus könnten auch sagen, sie sei ein aufgeblasenes Schloss Wörlitz (1773). Der befremdliche Stolz dieser protzig-kühlen Architektur muss wohl auch eine Herausforderung für kadawittfeldarchitektur gewesen sein, die den seit 2001 leerstehenden Bau am Rheinufer modernisiert und umgebaut haben. Dabei entschied sich das Aachener Büro dafür, Distanz zum Original zu wahren. Selbst die baulichen Narben der letzten hundert Jahre ließen sie sichtbar und rückten auf diese Weise die Architektur des Gebäudes weit in die Vergangenheit.

Kadawittfeld haben im Auftrag des HOCHTIEF-Konzerns, der den Bau 2011 erwarb, das wilhelminische Gebäude entkernt und mit einem neuen Dachaufbau versehen. Zum Konrad-Adenauer-Ufer blieb die historische Fassade erhalten, die weniger repräsentative Westseite hingegen wurde, bis auf das Portal, neu mit einer Putzfassade und vertikalen Fenstern gestaltet. Den Kontrast zwischen Original und zeitgenössischer Hinzufügung arbeiteten kadawittfeldarchitektur besonders an der Uferseite heraus: Neue Fenster setzten sie mit einer Schattenfuge und anthrazitfarbenen Rahmungen stark von dem Sandstein-Bestand ab.

Die markanteste Veränderung ist allerdings das Dach. Das ursprüngliche Mansarddach – es wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und in den Vierzigerjahren nur fragmentarisch rekonstruiert – ersetzten kadawittfeldarchitektur komplett durch eine neue, mehrgeschossige Struktur. Metallene Bänder ziehen nun eine terrassierte Kontur von der Traufe vier Etagen hoch bis zum Dachscheitel. Die Glasfassade hinter den Bändern steht orthogonal zu den Geschossplatten. In den entstehenden Zwischenräumen sind offene Plattformen angeordnet. Dahinter liegen jetzt moderne Büroflächen, die flexibel vom Zellenbüro bis zum Businessclub-Konzept nutzbar sind.

Den gesamten Bau wandelten die Architekten im Inneren zu einem zeitgemäßen Bürohaus um. Nur die imposante historische Eingangshalle, die originalgetreu in den Neubau integriert wurde, erinnert noch an die alten Kaiserzeiten. Seit kurzem sitzt übrigens ein anderer Verkehrsriese in der ehemaligen Bahndirektion: die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) machte das Gebäude im Juni 2016 zum neuen Hauptsitz. (sj)

Fotos: Jens Kirchner, Ralph Richter


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Kommentare

5

0815architekt | 27.11.2016 22:44 Uhr

tut einfach nur weh...

...was da entstanden ist. Zugegeben keine leichte Aufgabe, das Raumprogramm denkmalverträglich unterzubringen.
Aber für mein Empfinden ist das hier mal so gar nicht geglückt. Was haben die Kadawittfeldstereotypen weißen Streifenfassaden mit der Vertikalstruktur der Fassade oder einer Interpretation der historischen Dachform zu tun? Für mich: garnichts.
Als Kulisse des Doms und für die Rheinpromenade tut das Ergebnis einfach nur weh.

4

hje | 26.11.2016 14:36 Uhr

Wieso Wörlitz? Wie wärs mit Koblenz?

Die wilhelminischen Architekten haben sich in Stil und Proportionen an das Hauptgebäude des klassizistischen Schloßes in Koblenz, das zu jener Zeit Hohenzollern-Residenz war, aber noch aus dem Ancien Regime (1770er Jahre) stammte, angelehnt. Diese Referenz war landesgeschichtlich und topographisch konsequent. Beide Gebäude liegen an zentraler Stelle im Stadtraum und blicken mit ihrer Repräsentationsfront auf den Rhein.
Muß einem nicht gefallen, aber im Rheinland bin ich um jede Haus-Fassade aus Vorkriegszeiten froh, die man vergessen hat abzureissen, nachdem fast alles weg-gebomt war.

3

romanesco | 25.11.2016 17:54 Uhr

Ganz gut

Dieser Umbau muss jedem Denkmalschützer Freudentränen in die Augen treiben. Das von A. Palladio zitierte Dach wilhelminischer Bauten ist wieder da - in seiner Materialisierung und Wucht durchaus konkurrenzfähig zu seinem ursprünglichen (bauzeitlichen) Vorgänger aus 2,5 Mio Biberschwänzen und einem halben Eichenwald, unter dessen Haube vornehmlich Akten sedierten. Für das Gebäude wie für das Rheinpanorama ein echter Gewinn!

2

diego | 25.11.2016 17:25 Uhr

gelungen

In meinen Augen eine gelungene Interpretation des historischen Daches. Skalpiert wurde das Haus ja bereits 1942 und dann mit einem Flachdach wieder aufgebaut. Auf der website von Hochtief Projektentwicklung kann man sich die verschiedenen Bauzustände zwischen 1906 und 2016 anschauen.

1

Andrea Palladio | 25.11.2016 16:17 Uhr

Ganz schlimm

Hier hat man wohl offenbar versucht, dem Haus seinen Skalp abzuziehen. Noch in der Architektur des 19. Jahrhunderts ist das Dach integraler Bestandteil der architektonischen Gestalt gewesen. Dieses Dach dem Haus zu nehmen, ist gleichsam eine Lobotomie am lebenden Patienten vorzunehmen. Wenn schon mehr Nutzung auf Teufel komm raus rein muss, wäre ein Abriss und Neubau wohl die bessere Option gewesen als dieser unausgegorene Zwitter.

 
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