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14.10.2009

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Rettig solls richten

Schloss-Bauherr für Berlin benannt – mit Kommentar


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Am 13. Oktober 2009 gab das Bundesbauministerium bekannt, wer als Bauherr der Berliner Schloss-Rekonstruktion fungieren wird: Auf einer Sitzung des Stiftungsrats der „Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum“  wurde gestern der Architekt und Stadtplaner Manfred Rettig zum geschäftsführenden Vorstand der Stiftung bestellt. Die zweite Vorstandsposition soll in Kürze ausgeschrieben werden. Schloss-Kritiker sind in dem Stiftungsrat nicht vertreten.

Manfred Rettig ist Mitte der 90er Jahre von Klaus Töpfer nach Berlin geholt und mit der Umzugsplanung der Bundesregierung betraut worden. Von 2001 bis zu deren Auflösung Anfang 2009 war er Geschäftsführer der Bundesbaugesellschaft Berlin mbH, die als Bauherr für Bauten des Bundestages und für das Bundeskanzleramt im Spreebogen auftrat.

Kommentar der Redaktion

Man kann es als letzte Zuckung eines scheidenden und glücklosen Bauministers lesen: Bevor Schloss-Fan Wolfgang Tiefensee sein Ministerium räumen muss, lässt er noch schnell ein Pöstchen besetzen und Fakten schaffen. Mit Rettig hat man einen ausgewiesenen Baumanager gefunden, der das im Moment mausetote Projekt „Humboldt-Forum“ noch einmal in Bewegung setzen soll. Ob das gelingt, erscheint im Moment fraglicher denn je. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Friedrich Ochs hat es in einem bemerkenswerten Aufsatz so zusammengefasst: Dem Projekt sind mit dem Architekten und dem Spendensammler zwei zentrale Akteure quasi abhanden gekommen.

Der Vertrag mit Franco Stella ist laut Beschluss der Vergabekammer des Kartellamts (PDF-Download) nichtig; niemand bezweifelt, dass dieses außergewöhnlich breit begründete Urteil, das sich stellenweise wie ein Krimi liest, einer Überprüfung durch das zuständige Oberlandesgericht Düsseldorf standhalten wird. Damit müssen Stella und die mit ihm in einer Planungsgemeinschaft verbundenen Architekturbüros gmp und HSA definitiv aus dem Projekt zurückgezogen werden: Ersterer war am Wettbewerb nicht teilnahmeberechtigt, und die Beauftragung der anderen ist vergaberechtswidrig.

Und der Förderverein Berliner Schloss e.V. um Wilhelm von Boddien, der vollmundig ein Spendenvolumen von 80 Millionen Euro versprochen hatte, hat sich selbst ins Aus manövriert. Die wenigen Spenden, die er eingenommen hat, sind zu großen Teilen bereits wieder ausgegeben worden – teilweise zugunsten von (ehemaligen) Vereinsvorständen – und jedenfalls zu Lasten des Finanzamts. Niemand traut dem Verein, der sich zur Zeit einen (verlustreichen) Gegendarstellungskrieg mit seinen Kritikern leistet, noch zu, Nennenswertes zum Aufbau der Fassaden beizutragen. Seine Funktion des Spendensammelns soll jetzt die Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum übernehmen.

Und dann sind da noch (selbstredend zur völligen Überraschung aller Entscheidungsträger) die archäologischen Ausgrabungen von den Kellerräumen des echten Schlosses aufgetaucht – bemerkenswerte hochbauliche Reste, für deren Erhaltung aber so gut wie kein Geld eingeplant ist. Nun wäre es allerdings total absurd und für das umstrittene Reko-Projekt in nochmals gesteigerter Weise decouvrierend, wenn man diese Ausgrabungen, immerhin die einzigen „in situ“ erhaltenen Reste des Schlosses, aus Geldmangel vernichten würde zugunsten einer Rekonstruktion seiner Fassaden. Also muss auch hier wieder alles „Zurück auf Los“ (Titel eines Tagesspiegel-Aufsatzes von Falk Jaeger).

Das zur Zeit häufig zu hörende Argument der Schloss-Befürworter, die das Ausmaß des Desasters immer noch nicht wahrhaben wollen, ist der Verweis auf den Bundestagsbeschluss vom 12. 12. 2007 (PDF-Download). Wer sich gegen diesen Beschluss stelle, sei ein schlechter Verlierer in der Demokratie, sagen sie.

Doch auch das hält einer näheren Prüfung nicht stand. Denn der Bundestagsbeschluss enthält ganz klar einen Deckel für die Baukosten in Höhe von 552 Millionen Euro (von denen der Bund höchstens 440 Millionen übernehmen soll). Der Bundestag hat also ein Junktim von Baubeschluss und Kostenhöhe beschlossen. Nun weiß aber jetzt schon jeder, dass die Kosten deutlich zu niedrig angegeben wurden (zumal zu einem Zeitpunkt, an dem es den Stella-Wettbewerbsentwurf noch gar nicht gab).

Wie zu hören ist, wird für Ende Oktober die Präsentation einer neuen Entwurfsfassung durch die (noch) beauftragte Planungsgruppe erwartet. Dazu soll es auch eine neue, realistische Kostenschätzung geben. Da hier mit gmp und HSA erfahrene Planer am Werk sind, die zudem nichts mehr zu verlieren haben, werden dann wohl die wahren Kosten auf den Tisch kommen – das kann bis zu einer Verdoppelung des bisherigen Ansatzes führen. Spätestens dann ist das Projekt noch toter als tot. Warten wir also gelassen darauf, dass ein neuer Bauminister das ungeliebte Projekt mit einem Krokodilstränchen beerdigt.

Benedikt Hotze


Kommentare

14

so nötig wie | 16.10.2009 19:15 Uhr

ein fahrrad für den fisch...

schön zu sehen, wie diese koalition aus profilierungsgeilen regierungsbeamten und restaurativen nostalgikern mit dem versuch, sich auf kosten der allgemeinheit mit diesem schloßscheusal ein denkmal zu setzen offenbar doch noch an die wand fährt...

13

ovs | 16.10.2009 12:36 Uhr

schloss

Schluss mit Schloss! Kundgebung gegen das Stadtschloss:
Samstag, 17. Oktober 2009, 15.00 Uhr, Schlossplatz, Museumsinsel
http://schlossdebatte.de/
http://www.stopstadtschloss.com/
http://www.kein-schloss-in-meinem-namen.de/
http://www.plattformnachwuchsarchitekten.de/meinung.html

12

Frieder K. | 16.10.2009 10:56 Uhr

Auf den Punkt gebracht

Auch ich kann mich der Mehrzahl der geäußerten Meinungen zu diesem Artikel nur anschließen: Ein intelligenter Kommentar, der den Stand der Dinge auf den Punkt bringt. Auch die Zukunftsentwicklung (bzw. Nichtentwicklung) des Projekts wurde ja inzwischen schon bestätigt (vom CDU-Haushaltsexperten Steffen Kampeter). Bitte mehr davon, Herr Hotze!

11

Hausmann | 15.10.2009 20:10 Uhr

Morgenrot

Na dann ist es ja wohl nur noch eine Frage von wenigen Tagen, bis die Öffentlichkeit - von überzeugenden Projekten zeitgenössischer Architekten hingerissen - das Schlossprojekt beerdigen wird.

10

AndresLepik | 15.10.2009 14:13 Uhr

alle tot

Nachdem nun alle Akteure, die versucht haben, das Schloss auf die Beine zu stellen, politisch tot sind und sich auch das BBR selbst verfahrenstechnisch das Bein gestellt hat, kann man sich dem sehr praezisen Kommentar von Benedikt Hotze nur von Herzen anschliessen, dass nun auch der Bundestagsbeschluss vollkommen obsolet geworden ist. Es wird nun Zeit, dass das auch die Politik zur Kenntnis nimmt, dass man einen Fehler nicht damit korrigiert, indem man immer weiter in die falsche Richtung laeuft.

9

s.thamm | 15.10.2009 12:34 Uhr

bezug

auf kommentar #5: ...gar keine schlechte idee, denn soweit ich weiß sucht man immer noch einen platz für DIE zentrale wiedervereinigungsgedenkstätte. an sich bin ich dagegen alle erdenklichen gedenkstätten, egal wofür, in berlin zu konzentrieren und bin eher der meinung, dass auch andere städte mal etwas davon haben sollten, wenn busseweise schulkinder angekarrt werden. aber egal, jedenfalls wenn schon in berlin, da doch auf diesem platz. prominenter und massenwirksamer geht es ja wohl kaum.

8

Christof Bodenbach | 15.10.2009 09:34 Uhr

BauNetz-Kommentar zum Berliner Schloss

Klasse Kommentar! Chapeau!

Herzliche Grüße
Christof

7

Alexander Häusler | 14.10.2009 22:12 Uhr

Hoffentlich kein Schloss!

Als monarchischer Sitz erbaut, von den Engländern zerbomt, vom DDR Regiem abgerissen, durch einen "Palast der Repulik" ersetzt, dieser wieder abgerissen. Jetzt soll an selber Stelle die monarchistische Repräsentation wiedererstehen. Hier wiederholen sich die Siegerposen.
Man kann sich dem Verdacht nicht erwehren, dass hier unterbewusst, im Namen eines historischen Städtebaus und der angeblich so guten alten Zeit, Vergangenheit verklärt wird.

Insofern kann man nur hoffen, dass die kleinen Überreste einer realen Geschichte nicht auch noch einer neuen deutschen Grossmannsucht zum Opfer fallen. Wir Deutschen sollten doch die demokratischen Werte welche wir seit dem 2. Weltkrieg aufgbaut haben pflegen und uns nicht von der schönfärbenden Rekonstruktion von Zuckerbäckerfassaden übertölpeln lassen.

Wenn dann noch Machtspiele und Selbstüberschätzungen der Beteiligten dazukommt freue ich mich besonders wenn ein kritischer Meinungskommentar Stellung bezieht. Architektur steht im politischen Kontext . Im Diskurs Haltung zu Beziehen bedeutet sich nicht der post- oder "neomodernistischen Schönferberei" zu ergeben.

6

torben | 14.10.2009 20:52 Uhr

wie schön

am ende wird alles gut.

5

Leipziger Bauingenieur | 14.10.2009 20:08 Uhr

auch mal ne Meinung

Zunächst möchte ich meine Vorredner... naja Vorschreiber bestätigen: Die Meinungsäußerung war ganz klar abgetrennt von der Meldung. Sie ist großartig: kurz und knackig.

Erstaunlich ist, dass die DDR das Schloß abreißen ließ - aber eben nicht ganz (....Reste im Boden), weil sie das Schloß nicht wollte. Dann gab es den Palast, den auch so richtig keiner mehr wollte - naja vielleicht waren es auch nur die Asbestgegner... Also nun ist auch der Weg. Dann soll ein Schloß nachgebaut / rekonstruiert werden, was auch so richtig keiner wollte. Und alles wird fein brav von der Politik geregelt und bestimmt.

Ergo: Entweder brauchen wir einen König ... und DANN natürlich auch ein Schloß! Oder wir brauchen kreative Köpfe und vor allem: WIR BRAUCHEN ERSTMAL EINEN NUTZER. Meine Idee: Verbinden wir alles gemeinsam: Eine Parkanlage mit einer Stahltragskulptur mit den Umrissen des Schlosses und des Palastes - Verschmolzen ineinander. Eignet sich prima zur politischen Kultur der Einheit und natürlich ist die Nutzung als Park für UNS ALLE gut geeignet. Wegen mir kann dann auch ein Wolfgang Tiefensee noch einen kleinen Tunnel zum Fundament des Schlosses buddeln. Mit Tunnel kennt er sich ja aus - zumindest war das in Leipzig so.

P.S. Den Tunnel will wohl auch keiner so richtig. Ach ja - teuerer als geplant wird er sowieso. Daher ja die Posten: "Sowiesokosten".

Grüsse

4

mitdemradzurarbeit | 14.10.2009 18:16 Uhr

@akki

@akki: Ich kann Ihre Erregung nicht verstehen - der Text ist doch eindeutig als Kommentar gekennzeichnet und ist damit definitionsgemäß eine Meinungsbeitrag. Vom berichterstattenden Anteil am Anfang ist er eindeutig abgesetzt. Ihre Kritik geht also völlig in Leere. Um Ihre Frage zu beantworten: Ja, natürlich brauchen wir solche meinungsgefärbten (ihre Formulierung) Beiträge, gerade bei so einem wichtigen Thema. Nun eine Frage an Sie: Was bedeutet "neomodernistische Schönfärberei"?

3

tobi | 14.10.2009 17:27 Uhr

@akki

ähm..
da steht kommentar und nicht artikel.
ich finde es gut dass das baunetz hier mal position bezieht, was ich sonst zu oft vermisse..
gerne mehr davon.

und wer kann bitte noch ohne polemik über diese totgeburt sprechen?

2

www.plattformnachwuchsarchitekten.de | 14.10.2009 16:34 Uhr

Schluss mit Schloss

Besser hätte man das Schlossdrama nicht zusammenfassen können, herzlichen Dank an den Autor!

1

akki | 14.10.2009 16:12 Uhr

Bericht

Brauchen wir eigentlich so einen meinungsgefärbten Artikel wie diesen hier ?

Ich meine nicht. Weder von einem Hotze, noch von sonstjemandem.

Nicht als Befürworter und nicht als Gegner des Schlosses.

Man wünscht sich die neutrale "Berichterstattung" aus den Anfängen der Bauwelt zurück, weitab jeder neomodernistischen Schönfärberei.

 
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Temporäre Kunsthalle Berlin auf dem Areal des Schlosses in seiner gegenwärtigen Erscheinung als stilisierter Palast der Republik

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Entwurf für einen Berliner Central Park von Ingenhoven Architects (2001). Illustration: Peter Wels, Hamburg. Foto: Erhard Pansegrau, Berlin.

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