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29.06.2017

Rätselhaftes Objekt

Museum of Western Regions in Westchina


Die Sache ist rätselhaft. Der Bau mit dem Namen DongZhuang-Building mutet an wie ein schräges brutalistisches Relikt aus der Sowjet-Ära – er wäre ein geradezu ideales Setting für einen Film von Andrei Tarkowski. Doch er steht nicht in der ehemaligen Sowjetunion, sondern in der westchinesischen Gemeinde Tuoli, rund 30 Kilometer von Ürümqi entfernt, der Hauptstadt des uigurischen autonomen Gebietes Xinjiang, und er ist brandneu: 2014 konzipiert vom lokal ansässigen Büro Xinjiang Wind Architectural Design & Research Institute und 2016 fertiggestellt als neues Museum of Western Regions. Ein Museum der westlichen Gebiete also, wie die Provinz Xinjiang in China auch genannt wird.

Die Erzählung der Architekten wiederum lautet so: Ein riesiger, grauer Stein ist aus der Nanshan-Gebirgskette herabgerollt und liegt nun friedlich und präsent inmitten der kargen Landschaft der Nanshan Grasslands, ein Ausläufer der Wüste Gobi. Fakt ist: Zuvor stand auf dem Grundstück viele Jahre lang ein großer Getreidesilo, der offenbar zumindest formal in den Neubau eingeflossen ist. Klar wird bei all dem, dass die Inspiration für die abgerundeten Wände, die ovale Grundform und die raue, puristische Beschaffenheit des Baus sowie die verwendeten Materialien – im Wesentlichen Lehmziegel, gestampfte Erde, Stein, Sand, Keramikfliesen und Betonstahl – direkt von diesem Ort und aus der ihn umgebenden Landschaft kamen.

Das Bauwerk präsentiert sich von jeder Seite mit einem anderen Gesicht. An der Nordfassade mit kleinem Turm, hinter der die Berge aufragen, sind die Winde sehr stark, hier ist die Wand besonders massiv. Im zur Siedlung ausgerichteten Süden öffnet sich dagegen das Dach zum „Bird's Nest“ und bietet viel Raum unter freiem Himmel und einen Ausblick in die Steppe. Eine wie ein Arm auskragende, aufgeständerte Außentreppe führt hinauf, einer Hühnerleiter gleich. Das einer Kapelle ähnelnde Halbrund der Westfassade ist durchsetzt mit schiefen, kleinen Fensteröffnungen, die spielerisch verspringen; im Osten wiederum ist eine durchbrochene Wand vorgelagert, über die sich der hier bunkerartig wirkende Baukörper geradezu drohend hinüberschiebt. Das Raumprogramm im Inneren ist ebenso divers und ambig, die Geschosse sind konsequenterweise teilweise unter offenem Himmel angelegt. In einem Bereich des Gebäudes befindet sich ein Gästehaus mit privater Galerie, der andere, öffentlich zugängliche, umfasst Räume für Ausstellungen, Recherche, Entspannung.

Den Architekten zufolge spielte die lokale Tradition eine maßgebliche Rolle, zum einen was Design und Technik betrifft, zum anderen aber auch im philosophisch-spirituellen Sinne. Sie berufen sich in ihrem etwas kryptisch formulierten Statement auf eine sogenannte Theorie des unbestimmten beziehungsweise unklaren Designs, die in den Western Regions seit Jahrzehnten verankert sei und der Unvorhersehbarkeit, der Offenheit für verschiedene Nutzungen sowie natürlichen Wachstums- und Veränderungsprozessen einen großen Stellenwert einräumt. Außerdem listen sie sechs für den Bau grundlegende Gestaltungsprinzipien auf: der Rückgriff auf lokale Ressourcen und Fertigkeiten, eine Gleichberechtigung von Innen- und Außenraum, die Bevorzugung des natürlichen Lichts von Sonne und Mond gegenüber künstlicher Beleuchtung, die harmonische Einbettung in die Landschaft sowie ein langlebiges und multiplen Funktionen gerecht werdendes Design getreu der (hier sinngemäß übersetzten) Maxime: „Gutes Aussehen ist nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit Schönheit, und diese ist oft von kurzer Dauer.“ Schlussendlich soll der Bau eine Art Herberge sein, die nicht nur der extremen Witterung und den heftigen (Sand-)Stürmen widersteht, sondern auch Schutz vor ultravioletter Strahlung bietet –  also doch Tarkowski? (da)

Fotos: Yao Li


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