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24.08.2005

Die Krone

Mies' Crown Hall in Chicago ist saniert - mit Kommentar der Redaktion


Die Crown Hall von Ludwig Mies van der Rohe in Chicago von 1956 wird am 25. August 2005 nach Sanierung mit einem großen Fest wieder eröffnet.

Das Meisterwerk am Illinois Institute of Technology hat nun wieder Stahlrahmen in tiefscharz und kristallklare Gläser. Mark Sexton vom Büro Krueck & Sexton hat die 3,6 Millionen US-Dollar teure Sanierung an der South State Street geleitet.

Crown Hall gilt zu recht als eines der besten Gebäude der Nachkriegsmoderne - nicht nur von Chicago, sondern der Welt. Wie ein gebauter Ausdruck des „Less is more“ ist der symmetrische Bau perfekt proportiert. Um das Gebäude an geltenden Standards anzupassen, mussten dickere Gläser eingesetzt werden und die Fensterrahmen entsprechend verstärkt werden. In jedem Fassadenfeld gibt es ein großes oberes Fenster (klar) und zwei untere Fenster (sandgestrahlt).

Damit die dickeren neuen Gläser nicht grün wirken, wurde Spezialglas mit einem niedrigen Eisenanteil verwendet. Bei einer früheren Renovierung in den 70er Jahren hatten Skidmore Owings & Merrill laminiertes Glas verwendet, das zu stark reflektiert. Durch die oberen klaren Scheiben fällt der Blick nun wieder auf die umliegenden Bäume, die
Mies' Landschaftsarchitekt Alfred Caldwell gepflanzt hat.
Das kontroverseste Detail der Renovierung waren die Metallrahmen der Oberlichter. Sexton hat ein diagonales Detail zur Halterung entworfen. Dies ist jedoch eine Abkehr von Mies' rechteckiger Architektur und der Verwendung von Standardprodukten.

Kommentar der Redaktion:

Die Architektur des „Fast Nichts“, wie Mies' Crown Hall sie exemplarisch verkörpert, einmal als Arbeitsort erleben zu dürfen, hatte mich vor zehn Jahren maßgeblich dazu motiviert, mich um ein Stipendium am IIT zu bewerben. Um so geschockter war ich, als ich meinen Arbeitsplatz in Crown Hall schließlich einrichtete: Neue Studenten bekamen Plätze, auf die bisweilen Teile aus der Akustikdecke rieselten und mehr als einmal über Nacht die aufgespannten Zeichnungen zerstörte (damals zeichneten Architekturstudenten auch in den USA noch mit dem Rapi).

Trotz der nicht zu verbergenden Pflegebedürftigkeit des Gebäudes war der universelle Raum in Crown Hall, ihr „space of transcendent calm“, ein bleibendes Architekturerlebnis - gekrönt von der Schokoladentorte, die der Dekan Dirk Dennison alljährlich zu Mies' Geburtstag unter der Büste des deutschen Meisters anschnitt. Jeder Student bekam ein millimeterdünnes Stück zur Feier des Tages.

Das ist alles Geschichte, Dennison wurde von Donna Robertson als Dekan abgelöst, und mit ihr wurde auch der Mies'sche Geist aus den heiligen Hallen der Moderne vertrieben. Landschaftsarchitekt Caldwell ist zwischenzeitlich verstorben.
Das größte Problem ist dennoch geblieben: Die insuläre Lage des Campus' in den Ghettos von Süd-Chicago. Zwar hat man mit dem neuen Student Center von Koolhaas und den neuen Studentenwohnheim von Jahn versucht, den Campus wieder zu urbanisieren, dennoch passieren rund um den Campus so viele Gewaltverbrechen, dass heute wie damals nächtliche Drive-by-shootings auf die Unigebäude nichts ungewöhnliches sind.
Als „white kid“ auf dem Heimweg von der Innenstadt wurde ich damals von (schwarzen!) Cops, mehrfach in meinem roten Buick Wildcat angehalten und sorgenvoll gefragt, wo ich denn hin wolle - „Ich wohne in dieser Gegend“ war meine Antwort.

Auch diese Erinnerung zählt zur Architektur von Crown Hall. Denn die heroische Architektur und ihr desolates städtebauliches Umfeld hängen mittelbar zusammen: Der IIT-Campus war ehemals ein dicht besiedletes Judenviertel von Chicgao, das für die Bauten der Moderne komplett ausradiert wurde.

Ulf Meyer


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