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04.09.2017

Gediegener Strukturalismus

Lab City von OMA bei Paris


Das strenge Grundriss-Grid lässt an die Berliner Rostlaube von Candilis-Josic-Woods denken, die straßenartigen Interieurs in gedeckten Farben an das Centraal-Beheer-Gebäude von Herman Hertzberger: Ist die gerade fertiggestellte Lab City von OMA auf dem Saclay-Campus bei Paris womöglich eine Neuinterpretation der strukturalistischen Ideen der Sechziger- und Siebzigerjahre? Die Beschreibung des Rotterdamer Büros klingt jedenfalls ganz danach. Von einem stabilen Gerüst ist da die Rede, das eine beliebige Vielfalt an Aktivitäten beherbergen kann, von Gemeinschaft, die gerade deshalb entstehen kann, weil das Gebäude der gesellschaftlichen Pluralität und Diversität gewachsen ist. Und natürlich von neuen Formen des Lernens und Kommunizierens, die hier ermöglicht werden sollen – immer ganz nah am Leben, das in dieser Logik wiederkehrenden Strukturen und Regeln folgt.

Die Parallelen zum Strukturalismus liegen also schon terminologisch auf der Hand, doch auch die Architektur selbst, die sich bei gerade mal fünf Geschossen konsequent in die Breite und Tiefe entwickelt, lässt weitere Analogien erkennen. Der Grundriss des neuen Lern- und Laborgebäudes der Ingenieurschule CentraleSupélec unterteilt sich in zwei größere, öffentlichere Gebäudeteile und einem sauber arrangierten Cluster aus kleineren Blöcken, die mittels eines ebenfalls öffentlichen Straßennetzes um einen zentralen Platz herum organisiert sind. Den Entwurf leiteten die zuständigen Partner Ellen van Loon und Rem Koolhaas aus der Logik des städtischen Raums ab. Es sollte vermieden werden, dass der Bau als „schwarzes Loch“, also als unzugängliche Großtypologie, wie sie für Hochschulen oft üblich ist, den öffentlichen Raum blockiert. Eine breite Hauptstraße durchschneidet dabei das Gebäude und integriert es in den größeren Masterplan, der nach dem CentraleSupélec-Wettbewerbsgewinn 2012 ebenfalls von OMA entwickelt wurde.

Auf einer Geschossfläche von rund 50.000 Quadratmetern schaffen die Architekten bei der Lab City ein bis ins Detail ausdifferenziertes Raumangebot, das einer möglichst großen Vielfalt an Bedürfnissen gerecht werden soll. Intime Rückzugsräume treffen auf strenge Raumachsen, die geschwungenen Formen des großen Auditoriums auf die effiziente Addition kleinerer Seminarräume, und jeder der freistehenden Blöcke dient, verbunden durch Brücken, als unabhängige Einheit – während über allem ein gleichmäßiger Himmel aus kissenartigen Elementen schwebt. Aus den kleinteiligen Dorfstrukturen, für die sich die Strukturalisten so begeisterten, wurde hier also ein Stück künstliche Urbanität, bei der man auch ein spätes Echo von Delirious New York erkennen kann.

All zu verwunderlich ist diese Entwicklung nicht, denn auch die schöne

bunte Arbeitswelt à la Google & Co zeichnet sich ja durch strukturalistische Momente aus, wenn überall kleine Boxen oder spielerisch gestaltete Raumecken den informellen Austausch fördern. Und auch die zugrundeliegende Idee, dass sich nämlich mit Hilfe solcher struktureller Setzungen die Kreativität einer Institution fördern lässt, ist durchaus anschlussfähig. Was OMA in Paris jedoch gelingt, ist die Reduktion einer solchen kalifornischen Happiness-Architektur auf ihre wesentlichen Elemente – und das wirkt auf seine retrofuturistisch-gediegene Art doch deutlich angenehmer als die Kunstrasen-Seligkeit, die sonst noch immer gerne mit kreativer Raumgestaltung gleichgesetzt wird. (sb)

Fotos: Vitor Oliveira, Philippe Ruault


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