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https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Kaufhof-Umbau_am_Berliner_Alexanderplatz_abgeschlossen_-_mit_Kommentar_23876.html

24.05.2006

Retro-Klotz

Kaufhof-Umbau am Berliner Alexanderplatz abgeschlossen – mit Kommentar


Am 24. Mai 2006 wird am Berliner Alexanderplatz der Totalumbau des Warenhauses „Galeria Kaufhof“ mit einer ganztägigen Feier abgeschlossen. Das bei laufendem Betrieb umgebaute und erweiterte ehemalige Warenhaus „Centrum“ verlor dabei seine charakteristische Wabenfassade aus geformten Aluminiumblechen zugunsten einer Natursteinfassade. Die Pläne für den Umbau stammen aus dem Büro Kleihues und Kleihues, Berlin. Den Entwurf des verstorbenen Josef Paul Kleihues setzte sein Sohn Jan Kleihues um.

Die Verkaufsfläche wuchs dabei um 15.000 auf jetzt 35.000 Quadratmeter. Aus ursprünglich vier Verkaufs- und zwei Verwaltungsetagen wurden sechs Verkaufsgeschosse; die Verwaltung befindet sich nun in einem aufgestockten Staffelgeschoss. Das Gebäude wurde in Richtung Alexanderplatz um 25 Meter verlängert und erhielt an dieser Seite einen 23 Meter breiten, repräsentativen Eingang.

Herzstück im Inneren ist eine mittig im Gebäude angeordnetes „Fahrtreppenauge“ mit zwanzig 24 Meter langen, frei gespannten Rolltreppen. Darüber spannt sich eine Lichtkuppel auf.

Kommentar der Redaktion

Während allenthalben in Symposien und Ausstellungen der architektonische und baugeschichtliche Wert der „Ostmoderne“ wiederentdeckt wird, ist nach Entwurf von Kleihues eines der charakteristischsten Ensembles dieser Architektur unkenntlich gemacht worden.

Wo mit marketingverschwurbelten Slogans wie „World Class Shopping“, „Weltstadtformat“ oder „unverwechselbare Lifestyle-Marke“ ein „Flaggschiff im Herzen der Hauptstadt“ eröffnet wurde (alle Zitate: Galeria Kaufhof), hat der Berliner Alexanderplatz eine charakteristische Fassade der Ostmoderne verloren und einen merkwürdig unproportionierten Klotz in stilistisch undatierbarer Retro-Anmutung bekommen.

Was am proletarisch geprägten Alex vom Kauferlebnis her ein Gewinn sein mag, bedeutet städtebaulich und architektonisch eine empfindliche Störung. Natürlich sieht man, wodurch die (handwerklich präzise gefügte) Natursteinfassade inspiriert ist: Sie verweist auf die benachbarten Behrens-Bauten Berolina- und Alexanderhaus, den einzigen verbliebenen baulichen Zeugen der Vorkriegszeit am Alex. Doch gerade der unmittelbare Vergleich lässt einem die Tränen in die Augen treten: Soeben sind am Berolinahaus (siehe BauNetz-Meldung zum Sanierungsbeginn) einige der Gerüste gefallen, die feinproportionierte Behrens-Fassade zeigt sich in neuen Glanz. Der benachbarte Kleihues-Bau wirkt dagegen grobschlächtig und dumpf.

Auch ist die Verlängerung des Baukörpers um immerhin 25 Meter in Richtung Alexanderplatz städtebaulich fragwürdig: Der Abstand zwischen Kaufhof und Berolinahaus ist jetzt geringer als die Distanz an der Torsituation zwischen Berolina- und Alexanderhaus. Anders gesagt: Der Kleihues tritt dem Behrens einfach zu nahe; die Fläche zwischen beiden Bauten ist jetzt zum Durchgang geworden.

Alle Details am Eingang und im Inneren verraten das fast manisch zu nennende Bemühen, „edel“, „zeitlos“ und „repräsentativ“ zu wirken. Schwere Brüstungen mit streng weißen, steinernen Lattenreihen sorgen für einen sterilen Klassizismus, der mit „poetischem Rationalismus“ weder den ersten noch den zweiten Wortbestandteil mehr gemeinsam hat. Großzügig wirkt das Oberlicht, eine Art gekuppelte Kassettendecke aus Stahlbetonstreben, deren plan horizontal liegenden Glasscheiben allerdings ein starkes Verschmutzungsrisiko aufweisen. Dass diese Lichtkuppel von allen Verkaufsgeschossen aus wahrgenommen werden könne, lässt sich vor Ort nicht bestätigen; erst nach Erreichen der zweitobersten Ebene gibt sich der Blick ins Tageslicht frei.

Wir empfinden den neuen Bau als Verlust. Galeria Kaufhof hält ihn dagegen für nicht weniger als den „gelungenen Start für die Neubebauung der Berliner Mitte“. Wenn dies tatsächlich stilbildend sein sollte, sollten wir auf eine „Neubebauung der Berliner Mitte“ lieber verzichten.

Benedikt Hotze


Zu den Baunetz Architekt*innen:

Kleihues + Kleihues


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