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18.03.2016

Immer noch streitbar

Heinz Mohl zum 85. Geburtstag



Von Karin Leydecker

Vor mehr als sechzig Jahren baute Heinz Mohl (*18. März 1931) sein erstes Haus. Seitdem hat er ein umfangreiches Oeuvre geschaffen, das Transparenz als prinzipielles Mittel zum Entwurf wählte. Seine singulären Raumfigurationen sind ein maßgeblicher Beitrag zur Architektur im deutschsprachigen Raum.  Heute feiert der Baumeister Heinz Mohl  seinen 85. Geburtstag: Immer noch streitbar, immer noch inspiriert vom großen Architekturideal des räumlichen Gesamtkunstwerks.

Studiert hat Heinz Mohl bei Egon Eiermann. Bei ihm lernte er die hohe Kunst der Fuge, die Detailakribie und die Reduktion auf das Wesentliche. Fremd geblieben ist ihm aber immer die Eiermannsche Funktionalismus-Doktrin mit ihrer Scheinwirkung des Temporären. Schon Mohls Frühwerk – das Wohnhaus Kürner (Karlsruhe 1962–1964) und die Reihenhausgruppe in der Bergwaldsiedlung (Karlsruhe 1965–1967) – überrascht durch komplexe Strukturen und plastische Volumen mit ausgeklügelter Lichtführung sowie durch kontrastreiche Materialität und Detailbesessenheit. Frank Lloyd Wright und der späte Le Corbusier waren die Inspirationsquellen dieser programmatischen Kalksandsteinbauten. Bis heute wohnt Heinz Mohl selbst in einem seiner reizvollen „Erstlinge“.  Das Atelierhaus (1970/71) für den  Künstlerfreund Horst Antes erscheint als großes Volumen der reinen Zweckform.

Wichtig für Mohls Werk war von Anbeginn die  Baugeschichte. Bis heute ist ihm die italienische Renaissance – mit Florenz und Rom, mit Alberti und Brunelleschi – ein zentrales urbanistisches und architektonisches Denkmodell geblieben. Für ihn sind die „Strukturen einer abstrakten Architektur, die sich in einem scheinbar geschichtslosen Raum entwickeln, der Grund für die physisch-ästhetische Verwahrlosung unserer Umwelt.“ Als die Siebziger- und Achtzigerjahre endlich den unverwechselbaren städtischen Raum – die „Identität des Ortes“ wiederentdeckten, avancierte Mohl rasch zum Vorreiter für „modernes Bauen im historischen Kontext“. Seine vielfach preisgekrönten Schneider-Warenhäuser (Freiburg, Bretten, Ettlingen, Gaggenau zwischen 1969–1977) mit den subtil  gegliederten Kalksandsteinfassaden und Dachkörpern sind heute emblematische Beispiele für nahtloses Implementieren.

1974 wurde Heinz Mohl als Professor für Umweltgestaltung  an die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart berufen: Dort lehrte er von 1981–1996 als Professor für Architektur und Design. Mitte der Achtzigerjahre entfaltete Mohl in architektonischen Großprojekten im Geist einer wohltemperierten Postmoderne sein Talent für stadträumliches Gestalten. Allein in der Karlsruher Innenstadt entstanden die Landeskreditbank Baden-Württemberg am Schlossplatz  (1978–1983), das Rechenzentrum (1989–1992), die Erweiterung der Staatlichen Kunsthalle (1978–1990), die Heinrich-Hübsch-Schule (1978–1985), die Mensa der Universität (1985–1989)  und das Werkbundhaus (1978–1985).

Wichtiges Projekt war der Umbau und die Erweiterung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, die von 1895 bis 1896 nach den Plänen von Heinrich Hübsch und Josef Durm am Botanischen Garten erbaut wurde. Hier gelang Mohl in einem klugen Kunstgriff das Verweben fragiler Bausubstanz aus unterschiedlichen Epochen zu einem harmonischen Gesamtbild. Es ist ein Glücksfall, dass megalomane Umbaupläne rechtzeitig gestoppt und die Kunsthalle für Karlsruhe gerettet werden konnte. Heinz Mohls Auseinandersetzung mit dem historischen Stadtgrundriss von Friedrich Weinbrenner (1766–1826) war in Karlsruhe die Basis für alle  planerischen Entscheidungen. Bei der Heinrich-Hübsch-Schule – der mächtige Klinkerbau im Geist der „Tessiner Schule“ ist ein Paradebeispiel gelungener Blockrandschließung – spielt Mohl souverän mit Raumschichtungen und baut eine faszinierende Stadtmetapher mit Arkaden, Plätzen, Straßen und Räumen.

Alle Gebäude, die Heinz Mohl entwarf, haben eine heute selten gewordene Qualität: Sie sind von Dauer und sie können in Würde altern. Lernen vom Baumeister Mohl? Ja, vor allem zwei Dinge: Das Gefühl für die sinnliche Qualität von Architektur und den Respekt vor der Ordnung im Raumgefüge.


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Heinz Mohl im Jahr 1987, Foto: Dirk Altenkirch

Heinz Mohl im Jahr 1987, Foto: Dirk Altenkirch

Staatliche Kunsthalle Karlsruhe (Erweiterung und Umbau 1978–1990), Heinz Mohl, Foto: Dirk Altenkirch

Staatliche Kunsthalle Karlsruhe (Erweiterung und Umbau 1978–1990), Heinz Mohl, Foto: Dirk Altenkirch

Staatliche Kunsthalle Karlsruhe (Erweiterung und Umbau 1978–1990), Heinz Mohl, Foto: Dirk Altenkirch

Staatliche Kunsthalle Karlsruhe (Erweiterung und Umbau 1978–1990), Heinz Mohl, Foto: Dirk Altenkirch

Heinrich-Hübsch-Schule Karlsruhe (1978–1985), Heinz Mohl, Foto: Dirk Altenkirch

Heinrich-Hübsch-Schule Karlsruhe (1978–1985), Heinz Mohl, Foto: Dirk Altenkirch

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