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09.09.2016

Schrei nach IBA

Hans Kollhoff und das Berliner Wohnungsmarktforum


Tausende Menschen in Turnhallen, steigende Mietspiegel und explodierende Kaufpreise – so der Status Quo am Berliner Wohnungsmarkt kurz vor den Wahlen. Um die „Berliner Mischung“, Luxuswohnen im Hochhaus und eine „bürgerliche Haltung“ zur Baukultur ging es im „Ersten Berliner Wohnungsmarktforum“ mit Hans Kollhoff.

Von Dina Dorothea Falbe


Die Bebauung des Tempelhofer Feldes ist am Volksentscheid gescheitert und die Bevölkerung wächst weiter. Zukunftsvisionen für Berlin präsentierten deshalb neben Bausenator Andreas Geisel (SPD) auch Vertreter von CDU und Grünen im Gespräch mit Kollhoff und dem Gastgeber Karl Jürgen Zeller von der Bewocon. Die 2014 gegründete Immobiliengesellschaft hatte am Mittwoch in die Lounge des Fernsehturms geladen.

Mit den Hochhausplänen am Berliner Alexanderplatz, die Kollhoff bereits im Masterplan 1993 formuliert hatte, wird es nun ernst: Gemeinsam mit dem russischen Investor MonArch gab die Bewocon bekannt, den Bauantrag zum Alexander Tower eingereicht zu haben. Noch in diesem Jahr will man mit dem Bau beginnen. O&O Baukunst entwarfen das höchste Wohngebäude der Stadt mit Referenzen an die „klassische Moderne“ in Russland und Deutschland. Mit dem Neubau will Karl Jürgen Zeller die Nachfrage aus dem Ausland nach zentralen Luxuswohnungen bedienen. Er glaubt, dass die Stadt von der Kaufkraft profitieren wird und wünscht sich eine stärkere Zusammenarbeit der Politik mit den privaten Wohnungsbauakteuren. Einen Konflikt mit dem Wohnbedarf im Niedrigpreissegment sieht er nicht, denn das finanzkräftige Klientel sei an Wohnungen in „sehr zentraler Lage“ und „nicht in Spandau“ interessiert.

In der Stadt der Mieter gibt sich Andreas Otto von den Grünen volksnah und tritt mit berlinerischen Anekdoten für die Rechte der mietenden 85 Prozent ein. Matthias Brauner von der CDU will die Eigentumsbildung fördern, Familien sollen Eigenheime in der Stadt kaufen. Um den Preisanstieg zu stoppen, habe der Senat erst die Voraussetzungen für den Bau neuer Wohnungen schaffen müssen, erklärt Senator Geisel: die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sei eine „B-Plan-Fabrik“. Wurden 2011 nur 1.500 Wohnungen geschaffen, waren es 2015 bereits 11.000 – Tendenz steigend. Eine Novellierung der Bauordnung soll in definierten „urbanen Gebieten“ Wohnen und Gewerbe mischen und stärkere Dichte erzeugen. Matthias Brauner würde langwierige B-Plan-Verfahren lieber vermeiden und direkt nach §34 genehmigen.

Über einige Punkte ist man sich offenbar einig: die EnEV muss überarbeitet, muss technologieoffen werden, um nicht nur der Dämmstoffindustrie zu nützen, die „Berliner Mischung“ soll erhalten werden, so dass für alle Einkommensklassen Raum bleibt – davon hängt schließlich auch die Attraktivität eines Stadtteils für die internationalen Finanzkräftigen ab. Wie man nun aber bei Neubau und Verdichtung konkret dafür sorgt, dass immer auch die Infrastruktur und die städtische Lebensqualität stimmt – dazu bräuchte es wohl eine neue IBA in Berlin. Laut Senator Geisel ist diese allerdings nicht vor 2021/22 realisierbar.

Für die IBA plädiert auch Hans Kollhoff, der zuvor das Wettbewerbswesen im Wohnungsbau für idiotisch erklärt hatte, da es auf städtebauliche Innovation abziele. Man wisse schließlich seit Jahrhunderten, wie Stadt gebaut werden müsse, um zu funktionieren, nämlich als Blockrandstruktur mit öffentlicher Front und privatem Hof. Um größere Planungen umzusetzen, müsse man den Bürgern allerdings ein Bild mit Sogwirkung präsentieren – daran sei die Entwicklung des Tempelhofer Feldes gescheitert.

Mit Blick auf das selbsternannte Leuchtturmprojekt Alexander Tower kommt dann doch die Frage auf: Wo bleibt der Mut in der architektonischen Gestaltung? Der Investor beschuldigt das Baukollegium einen mutigen, farbenfrohen Entwurf zum Alexander Tower weichgespült zu haben. Kollhoff hingegen ist froh über die hier durchgesetzte „bürgerliche Haltung“, sie „tut der Stadt gut!“. Mit dem „rosa Monster“ Alexa stehe das Gegenbeispiel direkt nebenan.

Kollhoff sitzt vor dem Stadtpanorama unter dem goldenen Fernglas während er in die Zukunft blickt: Brandlhubers Brunnenstraße wird in zehn Jahren „alle anöden“. Heute sei niemand in der Lage dauerhafte Architektur zu errichten, die an die Qualitäten des Stadtschlosses mit 300 Jahren Bauzeit heranreiche. Das Stichwort Stadtschloss fordert schließlich auch ARD-Moderator Joachim Lorenz zu einer Meinungsäußerung heraus: Der Palast der Republik wäre keine gute Architektur gewesen.

Vergessen wird offenbar, dass man sich gerade in einem ebenfalls umstrittenen Gebäude der DDR befindet, dem anhaltende Beliebtheit bei in- und ausländischen Touristen inzwischen einen unstrittigen Platz im Stadtbild gesichert hat. Im Vordergrund der aktuellen Visualisierung des Alexander Towers wird das Haus des Lehrers, das nach dem ursprünglichen Kollhoff’schen Masterplan verschwunden wäre, als gleichwertiger Partner gezeigt. Ist dies ein Versöhnungsangebot an die städtische Denkmalpflege oder hat man inzwischen ein wundersames touristisches oder gar kulturelles Interesse an der DDR-Moderne akzeptiert?

Eine Häufung von Ideenwettbewerben zum Thema sozialer, nachhaltiger und kostengünstiger Wohnungsbau zeigt die Dringlichkeit des Problems auf gesamtdeutscher Ebene. Für Berlin wird ein Bevölkerungsanstieg auf vier Millionen in den nächsten 10-15 Jahren erwartet. Wird Berlin in der Lage sein, die Bewegung des Marktes zu nutzen, um zukunftsweisenden Wohnungsbau und damit nachhaltige Stadtentwicklung umzusetzen? Ist Bürgerbeteiligung wirklich die Bremse entsprechender Politik? Nicht nur Hans Kollhoff fragt: „Warum gibt es diese IBA nicht? Alles schreit nach einer IBA!“


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Berlin-Skyline mit Alexander Tower

Berlin-Skyline mit Alexander Tower

Der Alexander Tower und das Haus des Lehrers

Der Alexander Tower und das Haus des Lehrers

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Blick vom Alexanderplatz

Blick vom Alexanderplatz

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