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15.11.2017

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Kreuzgang statt Knast

Geschlossene Schule für Intensivtäter in Marseille


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Nur ein Zaun umgibt den gedrungenen Bau aus hellem Naturstein, der am Rand einer kleinen Hochhaussiedlung nördlich der Innenstadt von Marseille steht. Die Anlage wirkt vielleicht etwas verschlossen und noch kahl, aber das mag auch an der fehlenden Vegetation liegen, die jedoch zumindest laut Plan noch angepflanzt werden soll. Nein, an eine Haftanstalt erinnert hier tatsächlich erst mal nichts. Und das ist ein großer Verdienst des Teams von COMBAS Architectes (Nîmes und Nizza), denn ja, es handelt sich hier um eine offizielle Institution des französischen Strafvollzugs.

Entstanden ist allerdings  keine gewöhnliche Haftanstalt, sondern ein sogenanntes Centre éducatif fermé für Jugendliche. Das ist eine geschlossene Bildungseinrichtung, in der Intensivtäter über einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten mittels eines dichten Programms an Lern- und Kulturangeboten neue Perspektiven eröffnet bekommen sollen. Der Aufenthalt ist freiwillig, weshalb solche Zentren rechtlich gesehen als Wohnheime definiert sind. Die strikte Befolgung des vorgegebenen Programms wird aber vorausgesetzt – mit dem regulären Strafvollzug als einzige Alternative.

Als Konsequenz steht das Gebäude in einem ungewöhnlichen Spannungsverhältnis, denn einerseits geht es hier um Rehabilitation, wofür Offenheit und Vertrauen unerlässlich sind, und andererseits musste das Thema Sicherheit trotzdem Berücksichtigung finden. Als räumliches Vorbild diente den Architekten darum die disziplinierende Architektur alter Klöster, an deren Kreuzgängen sie sich auf abstrakte Weise orientieren. Nicht um einen zentralen Hof herum ist die Anlage organisiert, sondern in Form von ineinander verschachtelten, L-förmigen Trakten entlang eines offenen, noch zu begrünenden Freiraums. Im östlichen Abschnitt befinden sich die Einzelzimmer der bis zu 14 Bewohner, im mittleren Abschnitt liegen die Seminarräume, Aufenthaltsbereiche und das Esszimmer, der westliche Teil der Anlage ist der Verwaltung und dem Betreuerteam vorbehalten.

Robust sollte die Architektur dabei sein, ohne gleich an die ungelenke Ästhetik einer vandalismussicheren Gestaltung zu erinnern. Die Architekten orientierten sich stattdessen an der nahen mediterranen Küstenlandschaft mit ihren Karstfelsen: Ihr Gebäude sehen sie als monolithische Struktur, aus der sie die Innenräume in Beige und Grau gewissermaßen herausgemeißelt haben. (sb)

Fotos: Javier Callejas


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Kommentare

7

schlawuki | 17.11.2017 14:16 Uhr

angemessen

@Mathias Gerber:
Ein sehr schöner und angemessener Kommentar.

Vielen Dank dafür

6

Jan | 17.11.2017 13:15 Uhr

Luxus

Tja, da kommt wieder der pavlov'sch Reflex diverser Kommentatoren, dass Jugendliche, die sich etwas zu Schulden kommen lassen haben, sofort in einen feuchten, zugigen Betonkeller bei Wasser und Brot gesperrt werden sollen. Und wo zeigt sich in diesem Gebäude Luxus? Dass die Baufirma sauber gearbeitet hat? dass der Architekt eine saubere Arbeit abgeliefert hat? Der Luxus hört schon beim Zaun auf.

5

Christian Richter | 16.11.2017 12:14 Uhr

... L-förmig? Kreuzgang?

Bei diesem sehr einfachen und spartanischen Projekt ist wirklich jede Häme in Bezug auf die Nutzung oder die Nutzer unangemessen.

Ebenso fern scheint mir die Beschreibung von dem tatsächlichen Gebäude: Wo sollen diese L-förmigen Baukörper sein - ist es nicht ein U, das eine (leicht gedrehte) Zeile einrahmt? Und wo um alles in der Welt ist denn der Kreuzgang? Ich habe im Grundriss nur einen ganz normalen, langen, geraden Flur gefunden. Vielleicht ist die Abstraktion etwas zu bizarr geraten, jedenfalls die des Textes. Das Gebäude ist ja sehr unaufgeregt und ansprechend!

4

Mathias Gerber | 16.11.2017 12:03 Uhr

Hoffentlich

fühlen sich die Jugendlichen in diesen Räumen wohl und geborgen und aufgehoben, werden gut betreut und man gibt ihnen Selbstvertrauen und Stärke mit auf ihren weiteren Lebensweg. Für den ein oder anderen scheint das ein Privileg für gut behütete Kinder aus Mittelstandsfamilien zu sein. Die wenigsten oder wohl kaum ein Jugendlicher sehnt sich nach Einrichtungen wie dieser. Doch für leider zu viele sind sie vielleicht ein Ort wo sie als wertige Persönlichkeiten gesehen werden und bestärkt werden. Die Debatte kann nicht sein, dass es den Jugendlichen nicht zusteht eine solche Möglichkeit zu bekommen. Eine Gesellschaft zeichnet sich wohl eher dadurch aus wie sie mit den Schwächsten umgeht und diese fördert. Streiten Sie lieber über die Qualität des Gebäudes und ob es die bestmöglichen Vorraussetzungen bietet.

3

peter lustig | 15.11.2017 21:51 Uhr

bloß nicht zynisch werden

@Joachim Reinig:
Glaub ich nicht, denn sie dürfen nicht raus.

2

H. Ludwig | 15.11.2017 21:12 Uhr

Kreuzgang statt Knast

Den Kreuzweg gibt die Lithurgie vor, und ist entbehrungsreich! Dies hier ist ein Luxuskoffer ohne Anfang und Ende!

1

Joachim Reinig | 15.11.2017 15:40 Uhr

Kloster für Intensivtäter

Super Anlage - die Delinquenten werden sich hier richtig wohl fühlen!

 
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Das Gebäude gleiche einem Felsen, aus dem Höhlen herausgemießelt wurden, so die Architekten.

Das Gebäude gleiche einem Felsen, aus dem Höhlen herausgemießelt wurden, so die Architekten.

Blick auf den Mitteltrakt mit den Unterrichtszimmern.

Blick auf den Mitteltrakt mit den Unterrichtszimmern.

Der Zugangsbereich im nördlichen Teil des Grundstücks ist für die Jugendlichen nicht zugänglich.

Der Zugangsbereich im nördlichen Teil des Grundstücks ist für die Jugendlichen nicht zugänglich.

Zwischen Zimmertrakt und Mittelteil vermittelt eine zentrale Halle. Vorbild für diese Lösung seien die Kreuzgänge alter Klöster gewesen.

Zwischen Zimmertrakt und Mittelteil vermittelt eine zentrale Halle. Vorbild für diese Lösung seien die Kreuzgänge alter Klöster gewesen.

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