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20.12.2002

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Das Architekturjahr 2002

Ein Kommentar der BauNetz-Redaktion


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Die BauNetz-Redaktion bringt am heutigen Freitag, 20. Dezember 2002, zum letzten Mal in diesem Jahr tagesaktuelle Meldungen. Auch der eMail-Newsletter, der für eine wachsende Zahl unserer Nutzer zum täglichen Begleiter durch die Architekturszene geworden ist, erscheint heute für dieses Jahr zum letzten Mal.
Aber keine Sorge: Wir kommen wieder - im neuen Jahr, in alter Frische. Ab Montag, 6. Januar 2003, versorgen wir Sie an dieser Stelle wieder mit Nachrichten aus der deutschen und internationalen Architekturszene.

„International“ und „Szene“: Das sind die Stichworte, die man dem jüngsten Großereignis des ausgehenden Jahres zuordnen kann: Vorgestern Abend wurden die Entwürfe für das World-Trade-Center-Areal veröffentlicht (BauNetz-Meldung vom 19.12.2002). Fälschlich als „Wettbewerb“ bezeichnet, ist bei diesem Verfahren eine durchaus beeindruckende Schau von Entwürfen für das Gelände entstanden, dessen Zerstörung die Welt verändert hatte. Von den Feuilletons heute im Ergebnis hoch gelobt, haben hier zu sieben Teams zusammen gespannte „Star-Architekten“ gute, ja kühne Entwürfe vorgelegt, die zum einen das Gedenken an den Massenmord möglich machen und zum anderen zeigen, was heute der Stand des Hochhausbaus ist. Nur: Ein „Wettbewerb“ ist dies eben nicht; es gibt keine unabhängige Jury, erst recht keine Anonymität.
Irgendwelche kulturfernen Bürokraten werden hinter verschlossenen Türen den „Sieger“ ermitteln, werden womöglich die Entwürfe zerrupfen und neu zusammen stellen, ja am Ende vielleicht nur Ideen „ankaufen“, um sie dann durch ihre drögen Hausarchitekten verwirklichen zu lassen. Hier ist noch alles und nichts möglich; man wird die Vorgänge um die Vergabe der Planungsaufträge weiter sehr kritisch verfolgen müssen.

Überhaupt: „Star-Architekten“. Der Trend geht unvermindert dahin. Allein in 35 BauNetz-Meldungen des ausgehenden Jahres kommt der Name Norman Foster vor. Weitere Stichproben: Zaha Hadid ist mit 24 Fundstellen (Vorjahr 14) ebenfalls schwer im Kommen; sie wird gefolgt von Richard Rogers (14) und Daniel Libeskind (13). Dieselbe Zahl 13 gilt für Ben van Berkel und Renzo Piano; Herzog/deMeuron kommen immerhin noch auf 12. Um Frank Gehry ist es mit 8 Erwähnungen etwas stiller geworden, im Vorjahr kam er noch auf 12 Nennungen.
Der seit Jahren zu beobachtende Trend, mit „großen Namen“ vornehmlich internationaler Provenienz etwas Glanz auch in die provinziellste Bauaufgabe zu holen, kann weder aus berufspolitischer noch aus baukultureller Sicht kritisiert werden. Denn dadurch steigt das Interesse an Architektur, dadurch rückt sie in das Zentrum des öffentlichen Interesses. Das nützt auch unseren heimischen Architekten. Wie zum Beweise sei hier die Zahl für die häufigste Erwähnung eines deutschen Büros genannt: Von Gerkan, Marg und Partner (gmp) schlagen mit sage und schreibe 39 Nennungen immer noch locker jeden internationalen Star, und auch die Behnischs können mit 21 Nennungen gut mithalten.

Man darf vermuten, dass es diesen Großbüros also vergleichsweise gut geht; von vielen anderen, kleineren Architekturbüros wissen wir dagegen, dass dies ganz und gar nicht zutrifft. Die Baukonjunktur liegt bundesweit am Boden; am besten läuft es wohl noch in München und Stuttgart. Aber was einem in der bisherigen Boomstadt Berlin an offener oder als „Selbständigkeit“ getarnter Architekten-Arbeitslosigkeit begegnet, lässt schier verzweifeln. Ein ganzer Berufsstand hat kaum mehr Arbeit; viele junge Leute, die von den Hochschulen kommen, haben keine Chance mehr, geordnet in das Berufsbild hereinzuwachsen. Immer mehr ausgebildete Architekten verlassen das Feld der Architektur, sie werden Web-Designer, Event-Manager oder Location-Scout. Und natürlich hinkt die Uni-Ausbildung solchen Trends hinterher; hier wird immer noch der entwerfende „Generalist“ ausgebildet, der außer von „Entwurf“ von nichts Ahnung zu haben braucht, wenn er sich zum Diplom meldet.

Ebenfalls trübe sah es rund um das größte Architektur-Ereignis aus, das in diesem Jahr in Deutschland stattfand, und das inhaltlich, vor allem aber von den Besucherzahlen her so bitter hinter den vollmundig geschürten Erwartungen zurück blieb: Der UIA-Kongress in den Katakomben des Berliner ICC, der vor allem das Potential der Bau-Stadt Berlin verschenkte und - aus Rücksichtnahme auf eine Messegesellschaft - die Teilnehmer in ein von einer Stadtautobahn umtostes Raumschiff zwängte.
Deutschlands vornehmster Architekten-Berufsverband, der BDA, muss als Gastgeber die Suppe nun auslöffeln und das durch den Kongress verlorene Geld durch eine radikale personelle Verkleinerung seiner Bundesgeschäftsstelle aufzufangen versuchen. Hinter den Kulissen rumort es gewaltig; der Abgang des für das Desaster verantwortlich Gemachten ist dem Vernehmen nach keine Frage mehr des „Ob“, sondern nur noch des „Wann“. Schwere Zeiten also nicht nur für die Architektenschaft, sondern auch für den BDA.

Auch wenn die einschlägigen Wirtschaftprognosen wenig Spielraum lassen: Wir sollten dennoch hoffen, dass es im nächsten Jahr mit der Baukonjunktur aufwärts geht. In diesem Sinne wünscht die BauNetz-Redaktion allen unseren Lesern, Nutzern, Kunden und Fans alles Gute für ein erfolgreiches Jahr 2003.

Benedikt Hotze


 
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