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27.07.2010

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Sehnsucht (fünf): Arno Lederer

Die BauNetz-Kolumne vor der Biennale


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Am 29. August 2010 öffnet die 12. Architekturbiennale in Venedig ihre Pforten. Das Thema des deutschen Beitrags lautet „Sehnsucht“, und wir nutzen die Gelegenheit, um jede Woche einen Autor über Sehnsucht und Architektur schreiben zu lassen – diese Woche berichtet Arno Lederer von der Sehnsucht, die ihn auf Bausitzungen überkommt:

Gut ein Dutzend Personen haben am Besprechungstisch die Plätze eingenommen. Mehrere Vertreter der Bauherrschaft, die wiederum die Tochtergesellschaft einer Finanzgruppe darstellt, ebenso zwei Immobilienwirtschaftler, zuständig für Marktanalyse und Vermarktung. Dann Fachingenieure, die planen, und solche, die den Prozess steuern sollen. Ihre Kleidung verrät, zu welcher Gruppe sie gehören: die einen mit legerer Kleidung, Hemden und Hosen in gedeckten Farben, die anderen wie die Bauherrenvertreter im Nadelstreif, dicke Uhren an den Handgelenken. Alle Teilnehmer bis unter die Zähne bewaffnet mit Handys, Organizern und Notebooks. Ein paar Damen sind ebenfalls mit von der Partie: in Auftritt und Kleidung ihren männlichen Kollegen sehr ähnlich. Während diese Gruppe, teils eifrig telefonierend, teils Butterkekse mampfend, sich im Wettlauf um die neuesten marktwirtschaftlichen Daten übt, hängen die Architekten ihre Pläne auf. Sie hadern mit einem immer wiederkehrenden Dilemma: kein Tesa, keine Magnetknöpfe, die Wände zum Aufhängen größerer Formate ungeeignet, Tageslichtprojektion ausgeschlossen.

Dann die ungeduldige Frage, ob nun alles an der Wand hänge und die Architekten mit ihren Ausführungen beginnen könnten. Vorab aber noch die Präliminarien: Hinweise auf den Kostendruck, die Notwendigkeit der nochmaligen Einsparungen von Zeit und Kosten, nicht ohne die Versicherung, dass all dies nicht zu Lasten der angestrebten Qualität gehen dürfe.

Die Architekten sehen übernächtigt aus. Sie haben die Pläne übers Wochenende neu gefasst. Dann aber geht ein Ruck durch ihren Körper, Spannkraft vortäuschend. Man habe nun vieles neu und anders gemacht, sei auf die Wünsche des Bauherren eingegangen, habe Funktionen verbessert, da und dort Einsparungen gemacht, Energiekennwerte gerechnet. Dann warten sie gespannt, wie die Leithengste der Nadelstreifenträger darauf reagieren werden. Verriss oder Zustimmung?

Jeder weiß es besser, jeder setzt noch einen drauf. Man übertrifft sich gegenseitig in wissenden Begriffen und Terminologien. Die aufgeladene Spannung bringt die Zündschnüre der Kanonen zum Erglühen. Mehr und mehr stellen sich die Augen der Architekten auf Fernsicht ein, ihr Gehör nimmt nur noch ein Kauderwelsch von Begriffen, Zahlen und negativen Botschaften wahr... Ich schließe die Augen und labe mich auf der Wolke, die mir Dinocrates gesandt hat, um mich zurück zur Architektur zu bringen. Dort oben, mit zunehmender Ferne, höre ich die Donnersalven peu à peu verstummen. Noch sehe ich, wie die Geschütze ihre Salven abgeben, bis schließlich der hohle Rauch als letztes Zeichen der Besserwisser am Horizont auftaucht.

Genau in diesem Stadium fallen mir die schönsten Entwürfe ein...

Arno Lederer (*1947 in Stuttgart), Architekt, gründete 1979 sein eigenes Büro, 1985 kam Jórunn Ragnarsdóttir und 1986 Marc Oei als Partner dazu: Lederer+Ragnarsdóttir+Oei. Seit 2005 ist er Leiter des Instituts für öffentliche Bauten und Entwerfen der Universität Stuttgart; seit 2007 Mitglied des Beirats der Bundesstiftung Baukultur in Potsdam.

Zuvor haben in unserer „Kolumne der Sehnsucht“ bereits die Generalkommissare des deutschen Pavillons über die Sehnsucht als kreative Antriebskraft geschrieben, Bart Lootsma hat von den 1980er-Jahren und seinem Tattoo erzählt, bevor Wolfgang Bachmann über den Sinn des modernen, feuilletonistischen Cross-Sellings nachdachte und Benedikt Hotze von der retrospektiven und der prospektiven Sehnsucht schrieb. Die Kolumne läuft voraussichtlich noch bis zur Eröffnung der Architekturbiennale.


Zum Thema:

Download der BAUNETZWOCHE#178 „Sehnsucht“


Kommentare

6

Kinschel | 28.07.2010 11:26 Uhr

Sehnsucht

Die Nichtdefinition einer Sehnsucht, sondern die Beschreibung der Umstände der Nichtexistenz einer besseren Umwelt, bedarf einer diskurstauglichen Auseinandersetzung. Ich glaube nicht, daß die anwesenden Kommentatoren zur Biennale fahren sollten. Sie verstehen Sie nicht!

5

Andrea Palladio | 28.07.2010 09:37 Uhr

Kommentar zum Kommentar

@Cloud9

Bezeichnend ist es, den Schreibstil eines der wenigen pointiert formulierenden Architekten zu kritisieren, selber aber kaum zwei Zeilen formulieren mag.

@Architekturpolizei
Ach, doch das geht schon. Manchmal kann man bei den ständig gleichen Ausführungen des Generalunternehmers oder des Kostenplaners herrlich abschalten.

4

architekturpoilzei | 27.07.2010 23:43 Uhr

drinne isch wo drausse aufhörd

Ich bezweifle. dass man in diesen Augenblicken wirklich gute Einfälle hat oder vielleicht doch die nächste taktische Stellungnahme vorbereitet.

3

au | 27.07.2010 22:00 Uhr

weia

was ist DAS denn für ein geschwätz ?
wenn die so übernächtigt sind solle der scheff ihnen mal mehr zeit lassen (also der architekt) oder paar leute einstellen.

und den herren bueroinhabern UND professoren geht es so schlecht auch nicht...man hat dann keine fette uhr sondern eine stilvolle IWC und statt nadelstreifen as hübsches von uli knecht.

dieses geblubber bedient alle klischees, wir muessen uns als architekten nicht wundern wenn uns keiner wahrnimmt und ernst nimmt.

2

Lamaa | 27.07.2010 20:19 Uhr

Verkehrte Welt

Als ich den Namen Arno Lederer lies, war ich auf den Inhalt gespannt.

Endlich mal spricht ein bekannter Architekt aus, wie es wirklich ist. Früher waren Architekten Titanen, zu denen man aufblickte und um Rat fragte; heute sind sie zum Subunternehmer geworden, die wie ein Ping-Pong Ball hin und her geschuppst werden. Und zwar von den Leuten, die vom Bauen nur wenig Ahnung haben.
Ist es wichtig, ob die Fertigstellung auf den Tag genau erreicht wird, wenn das Gebäude die nächsten 50 Jahre und mehr betrieben wird? Viel wichtiger finde ich das erlangte Resultat, frei von Mängeln und der Gleichen.

Durch die Architektenwelt muss ein Ruck gehen;

Investoren müssen begreifen, dass gute Gebäude wie ein guter Wein seine Zeit benötigen.

Architekten / Chefs, die zu allen Äußerungen des Bauherrn nur ja und Amen sagen ( Furcht vor Auftragsverlust ) und ihre Mitarbeiter daraufhin unter Druck setzen, sollte die Architekten-Lizenz entzogen werden.
Ich fordere eine bessere Kontrolle der Arbeitsbedingungen in Architekturbüros von der Architektenkammer.
Durch Einsicht könnte das Arbeitsklima unter den am Bauprozess beteiligten Person verbessert werden, das Ergebnis wäre interessantere Architektur.
Jedem Bauherrn kann ich nur raten, geht direkt zum Architekten und verzichtet auf einen GU oder Projektsteuerer. Steckt das Geld lieber in das Gebäude!!! Die Verantwortung liegt sowieso beim Architekten und zugleich beschleunigt dies den Planungsprozess!

Einen schönen Abend wünscht das
Lamaa

1

Dorn-27 | 27.07.2010 19:16 Uhr

CLOUD9.

Nicht jeder gute Architekt hat auch einen guten Schreibstil; ich glaube, Ihre Gebäude , Herr Lederer, gefallen mir besser!

 
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