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23.05.2016

Was tut das Upper West für die City West?

Christoph Langhof feiert Richtfest in Berlin – ein Kommentar


Ein Kommentar von Daniel Felgendreher

Hochhaus-Fan Christoph Langhof steht auf der 33. Etage seines noch unvollendeten Hochhauses Upper West und zeigt bereits mit dem Finger im Umkreis auf Stellen, an denen bald weitere Türme der Berliner Skyline hinzugefügt werden sollen. Die Hauptstadtpresse ist gekommen und soll davon Bilder machen. Beim Richtfest des Upper West in Berlin-Charlottenburg bot sich dem Gast eine eindrückliche Show, die einiges über die Stadtentwicklung Berlins verrät.

Die Geste des Architekten verdeutlicht: Hier geht es um mehr als dieses eine Hochhaus am Breitscheidplatz. Hier geht es um einen Impuls zur Entwicklung eines Clusters aus Hochhäusern im ehemals geschäftigen Zentrum West-Berlins unweit des Bahnhofs Zoologischer Garten, welches nach dem Mauerfall dem Osten in der Stadtteilentwicklung nachstand. Und um eine Vision für die City West, die man in einem gewissen Personenkult des von oben herabblickenden Architekten versucht bildlich festzuhalten.

„Gehen Sie doch noch eine Etage höher, da ist der Blick noch besser“, sagt eine Hostess. Es ist konsequent, dass der „Ausblick“ – und das im doppelten Sinne – bei der Besichtigung im Vordergrund steht. Viel mehr zu sehen gibt es auch nicht. Das Projekt ist sicher städtebaulich von größerer Relevanz als architektonisch: eine weiße Aluminiumblech-Fassade, die eher die Ästhetik einer schuppigen Haut als „die Anmut einer netzartigen Haut“ (Langhof) besitzt. Und ein klaustrophobisches Musterzimmer des zukünftigen Hauptmieters Motel One, welches erahnen lässt, wie die von Langhof entworfene Grundrissfigur mit den Standardgrundrissen der Hotelkette aufgefüllt werden wird. Man schaut daher lieber aus dem Gebäude heraus, als das Gebäude an oder in es hinein.

Die Höhe ist ein, wenn nicht das Qualitätsmerkmal des Gebäudes, welches Thomas Hohwieler, Geschäftsführer des Bauherren Strabag Real Estate, auch explizit in den Vordergrund stellen möchte. Mit 118 Metern zählt das Upper West zwar zu den höchsten Gebäuden der Stadt, dass das aber kein veritables Alleinstellungsmerkmal ist, wird klar, wenn man sich die Entwicklungen im Osten anschaut: Der 150 Meter hohe, von Ortner+Ortner für einen russischen Investor geplante Wohnturm am Alexanderplatz, das ebenfalls am Alexanderplatz von Frank O. Gehry geplante 150 Meter hohe „Korkenzieher“-Wohnhochhaus, oder das 175 Meter hohe Hotel Estrel an der Sonnenallee von Barkow Leibinger sind die zukünftigen Höhenmarken Berlins. Mit einer Antenne will man doch irgendwie noch höher werden, scherzt Hohwieler. Zumindest höher als der direkte Nachbar, das ebenfalls 118 Meter hohe, von Christoph Mäckler entworfene Zoofenster, welches mit dem Waldorf Astoria ebenfalls ein Hotel beherbergt.

„Wir müssen mit unseren Flächen sorgsamer umgehen, wir müssen höher und dichter bauen“, sagt der anwesende Regierende Bürgermeister Berlins, Michael Müller. Aber lässt sich der „Aufschwung“ der City West wirklich an der Gebäudehöhe ablesen? Sind Hochhaus und Urbanität, Höhe und architektonische Qualität so einfach in eine Gleichung zu setzen? „Hochhäuser entstehen dort, wo die Wertschöpfung am größten ist“, erklärt Langhof und verrät damit, was die Projektbeteiligten hier mit Aufschwung meinen: Der „Trend zur City West“ meint steigende Großinvestitionen im besagten Gebiet, nicht aber gemeinhin als attraktivitätssteigernd verstandene Faktoren wie eine gesteigerte Funktionsdichte und -diversität, die zur urbanen Qualität beitragen.

Müller bringt es auf den Punkt. In seiner kurzen Stellungnahme sagt er vor allem eins: „Es ist großartig zu erleben, was das für eine Investition ist.“ Er sagt natürlich, was er als Politiker sagen muss. Das Upper West aber als ein Symbol für die Veränderungsprozesse in der Stadt zu benennen, zeichnet in punkto Qualität von Stadträumen schon ein etwas düsteres Bild der Zukunft Berlins.

Misst man den „Aufschwung“ an den jüngsten Investitionen im Neuen Westen, so haben wir bisher – rein programmatisch gesehen – zwei Hotels und eine Mall. In welche Richtung diese funktional homogenisierende Entwicklung geht, fürchtet jeder Berliner, der abends nach 23 Uhr zufällig einmal am Potsdamer Platz war. An Blütezeiten, wie die Goldenen Zwanziger, und die Kino-Tradition des Viertels am Bahnhof Zoo anzuknüpfen, erfordert eben mehr als die Hotellobby im „Cinema-Thema“ einzurichten, wie es die Mieterin Motel One tun will. Was tut das Upper West für die City West?

Es liegt eher eine Stimmung der 1990er oder frühen 2000er Jahre als die der Goldenen Zwanziger in der Luft. Dazu trägt auch TV-Moderatorin und Heimwerker-Königin in High Heels: Sonya Kraus bei. Vermutlich wurde sie als Moderatorin rekrutiert, um in ihrem goldenen Kleid der Veranstaltung etwas Glamour zu verleihen. Dazu tut die trashige Show zweier Akrobatinnen, die auf dem in die Höhe gezogenen Richtkranz, dessen Form eines Erdballs möglicherweise an den früheren Projektnamen Atlas-Tower erinnern soll, zu einem Mix aus Jazz und Eurodance tanzen, ihr Übriges.

Der Konzeptkünstler Olaf Nicolai wird mit der Gestaltung des öffentlichen Stadtraums um das Hotel herum beauftragt. Er spricht von einer überdimensionierten, 16 Meter hohen Gaslaterne – ein Objekt, das sich ebenfalls auf vergangene Zeiten bezieht. Im besten Fall ist das subversive Kritik an der Tilgung der schmuddeligen Neon-Lichter aus dem Viertel, speziell des für seine Leuchtreklame bekannten Schimmelpfeng-Haus, welches für das Upper West abgerissen wurde. Im schlechtesten Fall ist es eine flache Metapher für den „Leuchtturmprojekt“-Charakter des Gebäudes, von dem immer wieder die Rede ist.

Der Visionär Langhof sieht Hochhäuser, wo (noch) keine sind oder wo man eigentlich auch keine haben will. 22 Jahre ist es mittlerweile her, seitdem er erstmals vorschlug, das Schimmelpfeng-Haus aus den Fünzigerjahren abzureissen und durch ein Hochhaus-Ensemble zu ersetzen. Trotz Denkmalschutz wurde es zwischen 2009 und 2013 abgerissen, um Platz für das Zoofenster und das Upper West zu machen. „Wir waren von Anfang an davon überzeugt, dass das der ideale Standort in Berlin für Hochhäuser ist, das hat uns durch die ganzen Höhen und Tiefen begleitet. Wenn es irgendwo in Berlin passiert, dann passiert es hier.“

Bereits Mitte der 1990er Jahre erarbeitete Langhof erste Entwürfe. Diese sahen noch ganz anders aus. Die Entwicklung vom modernen Glaswolkenkratzer zum Monolith mit berlintypischer Schießscharten-Fassadenästhetik ist bemerkenswert. Letztere wirkt wie nachträglich adaptiert. Man bemerkt, dass die Kubatur mit einer anderen Fassadenidee entworfen wurde. Der jetzige Entwurf scheint durch seinen Konformismus mit den Dogmen der Berliner Fassadenästhetik ein Kind seiner Zeit zu sein, war aber in den Neunzigern in seiner ursprünglichen, transparenten Version sicher ein progressiver Vorschlag.

Es stellt sich die Frage: Was passiert, wenn man seine Vision erst mit einer 22jährigen Verzögerung umsetzen kann? Vielleicht ist es dann keine Vision mehr.


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