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01.06.2002

Otto Haesler - Eine Architektenkarriere in der Weimarer Republik

Bücher im Baunetz


Otto Haesler - das ist der große Unbekannte unter den Erste-Liga-Architekten der Zwanziger-Jahre-Avantgarde in Deutschland. Zu Gropius und Mies gibt es ganze Bibliotheken - zu Haesler gab es dagegen bisher nur zwei ernst zunehmende Buchveröffentlichungen: Zum einen einen autobiografischen Prachtband "Mein Lebenswerk als Architekt", der 1957 zu Lebzeiten des Architekten (und schlappe sieben Jahre nach der ihm zu Grunde liegenden Ausstellung) in der DDR erschien war und der im kapitalistischen Antiquariat inzwischen hoch gehandelt wird, und zum anderen eine Dissertation von 1982, die sich hauptsächlich mit wohnungsbaupolitischen Fragestellungen in der Weimarer Republik auseinander setzt.
Zeit also für die große Monographie über diesen bedeutenden Architekten; Zeit, den konsequentesten Verfechter des optimal besonnten Zeilenbaus zu würdigen. Denn Haesler hat ungerührt das gebaut, was Hilberseimer und Gropius meist nur zu zeichnen wagten: Knochentrockene Zeilenbau-Siedlungen in Celle-Georgsgarten, in Karlsruhe-Dammerstock, in Kassel-Rothenberg, in Rathenow / Friedrich-Ebert-Straße.


Haesler, das ist ein 1880 in München geborener Architekt, der in Berlin zur Schule ging (dort wegen seines bayrischen Akzents gehänselt wurde), und den es im Alter von 26 Jahren wegen eines gewonnenen Wettbewerbs gleichsam per Zufall in das Fachwerk-Provinzstädtchen Celle bei Hannover verschlagen hatte. Von dort aus hat er fast dreißig Jahre lang als freischaffender Architekt nicht nur das Bild seiner Wahlheimat, sondern des ganzen Landes verändert. In der Nazizeit erst weitgehend beschäftigungslos, dann Stadtbaurat im besetzten Polen, versuchte der bürgerliche Haesler nach dem Krieg in der DDR sein Glück und wurde forschender Vorreiter der Plattenbau-Technik. An seine Erfolge der Weimarer Zeit konnte er nicht mehr anknüpfen. Von der DDR-Episode des alten Mannes handelt das Buch nicht mehr; die Monografie erlaubt sich, mit dem Ende der Weimarer Republik auch ihren eigenen Gegenstand nicht detailliert weiter zu verfolgen. Dies ist kaum verständlich, weil Haeslers überschaubares Œeuvre nach 1933 keine so unüberwindliche Hürde für die fleißge Autorin mehr hätte darstellen müssen. Geradezu nickelig ist, dass das (ansonsten hervorragend recherchierte) kommentierte Werkverzeichnis ebenfalls mit dem letzten Celler Bau 1934 aufhört. Wenigstens die Bebauung am Rathenower Marktplatz hätte breiter aufgeführt werden müssen - eines der ganz wenigen Wohnungsbauprojekte in der SBZ/DDR, die vor der Doktrin des stalinistischen Stils der "Nationalen Tradition" modern gebaut werden konnte und außerdem damals die "billigsten Wohnungen der ganzen DDR".


Trotz der genannten Einschränkungen liegt mit diesem Buch die bisher so schmerzhaft fehlende Monografie über einen der wichtigsten Architekten der klassischen Moderne in Deutschland vor. Endlich werden auch die biografischen Lebensumstände hinter dem Werk öffentlich sichtbar - Interviews mit der Tochter Haeslers haben hier viel "human touch" beigesteuert -; endlich wird auch das Frühwerk auf dem Sprung vom Wilhelminismus über den Jugendstil hin zur Moderne umfassend gewürdigt. Ein Stadtplan von Celle mit eingezeichneten Haesler-Bauten erleichtert vor Ort die Suche nach den Spuren des großen Architektensohnes dieser Stadt. Tragisch, dass eines seiner wichtigsten Werke dort gegenwärtig bis zur völligen Unkenntlichkeit umgestaltet wird: Die unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise 1931 extrem minimalistisch errichtete Siedlung Blumläger Feld genügt heutigen Ansprüchen nicht mehr und wird aufgestockt und erweitert. Löblich (und nicht selbstverständlich für kunstgeschichtliche Arbeiten), dass diese und andere Veränderungen im Werkverzeichnis jeweils erwähnt werden.
(-tze)



Simone Oelker
352 Seiten, zahlreiche S/W-Abbildungen, 14 Farbabbildungen, 39.80 Euro
Dölling und Galitz, Hamburg, München 2002
ISBN: 3-935549-15-6


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