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01.12.1996

Lieber Gast. Zum Stand der Heimat auf Zeit - Das Hotelzimmer

Bücher im BauNetz


Lieber Gast
Volker Albus, studierter Architekt und Lehrstuhlinhaber für Gestaltung in Stuttgart, und Klaus Kemp, professioneller Kulturpfleger am Amt für Wissenschaft und Kunst in Frankfurt, haben aus der Not des Übernachtens in Hotels eine Tugend gemacht und sich ihr Entsetzen vom Leibe fotografiert. Den Ärger über „lieblose Gastlichkeit, gedankenlosen Service, und heillose Ästhetik“ dokumentieren 130 detailgetreue Farbabbildungen, die nahezu alle geschmacklichen Entgleisungen moderner Hotelkultur dokumentieren: vom sterilen Plastikmülleimer über grelle Deckenleuchten bis hin zu farbenfrohen Bettwäsche-Dekors und variantenreichen Nachttischverzierungen.

Lieber kein Gast?
Der Betrachter des 80 Seiten starken „ästhetischen Schreckkabinetts“ tröstet sich vermutlich mit einer Mischung aus Heiterkeit und schlechtem Gewissen über seine eigene Anspruchslosigkeit hinweg, die er als regelmäßiger Besucher schlechter Hotels – will oder kann er sich gute nicht leisten und gibt es sie überhaupt? – zur Überlebenstrategie erkoren hat. Doch die Privatheit, das Glück fern der aufgenötigten Bedingungen der schlechten Welt, ist nur ein Ausweichen vor der Einsicht, daß ein stilles Absenken der eigenen Ansprüche nolens volens der Vermassung das Wort redet. Auch der Komfort und erst recht der Stil hat seinen Preis und glücklich jener, der sich die Freiheit des Abwägen noch erlauben kann und nicht allein dem Geldbeutel gehorchen muß.

Die kulturlose Übernachtungskultur
Die Botschaft des Buches wird vom Vielreisenden mit erlösendem Nicken quittiert: Die Gastfreundschaft ist vor die Hunde gegangen, das Hotel in seiner „Fixierung auf den utilitären Vorgang des Übernachtens“ nur noch Simulation von Heimat und damit Abbild jener Kultur, in der Mobilität eher notwendiges Übel denn „Kunst des Reisens“ ist. Doch ist sie nicht allzu bequem, die Gesellschaft derjenigen, die allerorten den Niedergang beschwören, den der Sitten, der Kultur, der Politik und des guten Geschmacks erst recht?

Wiederbelebung der Ästhetik
Der Kniff der gelungenen Sammlung aus entblößenden Fotos und pointierenden Texten ist es, so haarsträubende Beispiele für mißratenes Design zu geben, daß sich in der Betrachtung des Antibeispiels Inspirationen zur Wiederbelebung des Faszinosums Hotel geradezu aufdrängen. Neben dem Trost, daß es bei den meisten Reisen doch nicht so schlimm gekommen ist, entpuppt sich das Buch als eine Pretiosensammlung über die Liebe zum Detail und eine subtile Anleitung zur Wiederbelebung der eigenen Ästhetik. Und die tut not - nicht nur auf Reisen.
mm

Volker Albus, Klaus Klemp
80 Seiten, 130 Farbabbildungen, Texte deutsch/englisch,
Edition Axel Menges, Stuttgart/London 1996
ISBN: 3-930698-82-X


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