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01.01.1998

Franz Baumann. Architekt der Moderne in Tirol

Bücher im BauNetz


Das heimatgebundene Auge
Endlich! Das lang erwartete Buch zum Baukünstler: Franz Baumann (1892–1974) ein „Architekt der Moderne in Tirol“. Zäh hält sich mancherorts noch immer die Lehrmeinung von der sich quasi selbstgenerierenden alpinen Architektur, die in einer besonderen Ausformung in Nord-, Ost- und Südtirol entstanden ist und mit grandiosen Werken – das Alpine transformierend – die „goldenen“ dreißiger Jahre füllte. Und die Namen kennt man, die das belegen: Clemens Holzmeister, Lois Welzenbacher, Siegfried Mazagg, Willi Stigler sen., Hans Feßler und eben auch Franz Baumann. Sie waren felsenfeste Einzelkämpfer – aber sie waren auch hellwach. Sie sahen was in München, Meran und Stuttgart gebaut wurde und wußten sich selbst darzustellen. Zahlreiche Veröffentlichungen von der Deutschen Bauzeitung bis zur Bau- und Werkkunst beweisen es. Sie bauten manchmal „international“, meistens „modern“, aber vor allem immer in genauer und liebevoller Kenntnis der Landschaft. Das flüchtige Bild des erdigen Tirolers, der, nur die Berge vor Augen, ohne Fremdeinfluß entwarf, hält sich trotzdem erstaunlich hartnäckig. War Franz Baumann auch so einer? Die Autoren Horst Hambrusch, Joachim Moroder und Bettina Schlorhaufer sagen „jein”. Sie nennen ihn einen Maurer, Baumenschen und Patrioten mit einem ungeheuren Gespür für Formen in der Landschaft, für Details und das Gesamte. Bauen war für ihn eine Dienstleistung am Menschen, die Schönes und auch Benutzbares schaffen sollte.


Mit der Seele eines einfachen Menschen
Der Nachlaß von Franz Baumann liegt an der Technischen Universität Innsbruck. Joachim Moroder hat mit seinen Studenten in langer Kleinarbeit das Werk Baumanns von der Türklinke bis zum städtebaulichen Entwurf analysiert und dokumentiert. Das war die Basis zum vorliegenden Buch. Bettina Schlorhaufer hat die Studie dazu geschrieben. Sie bettet das Œuvre in ihrem Essay in die Kunst- und Kulturwissenschaft der Zeit ein, um den eingeschränkten Blickwinkel zu erweitern, bleibt aber dann doch beim unmodernen Modernen, bei der einfachen und heimatverbundenen Seele des Franz Baumann. Er war Autodidakt und doch nicht ganz: Er lernte an der angesehenen Innsbrucker Staatsgewerbeschule, die so viele andere bekannte Namen durchlaufen haben, erhielt nie eine akademische Ausbildung, war immer auch Baumeister, arbeitet drei Jahre lang in Meran/Südtirol und ein Jahr bei Lois Welzenbacher. 1927/28 schuf er dann sein Hauptwerk, die drei Stationen der Nordkettenbahn oberhalb Innsbrucks. Es folgten internationale Bekanntheit und zahlreiche Aufträge. Das ist soweit nichts überraschend Neues. Doch Schlorhaufer stellt dann erstmals den unmittelbaren Vorläufer der Nordkettenbahn vor: den eigentlichen ersten Seilbahnbau Baumanns, der noch während seiner Südtiroler Lehrzeit für die Vigiljoch-Bahn in Lana entstanden war.


Orte weisen zur Form
Die Jahre von 1925 bis 1939 waren die intensivste Schaffensphase Baumanns. Aus dieser Zeit werden die schönsten und besten Projekte und Bauten nach Disziplinen geordnet vorgestellt: das Landhaus Zach in Reith bei Seefeld (1932), das sich um einen Schornstein als dominante Vertikale herum entwickelt und meisterhaft in den Wald eingebunden liegt, die großen Hotels wie das Monte Pana in St. Christina (1930) und das Hochfirst im Ötztal (1932/33–1950), die Stuben, die Gaststätten im städtischen wie im ländlichen Raum und das Weinhaus Happ in der Innsbrucker Altstadt (1927), das der Achtzigjährige noch täglich besucht haben soll. Baumann hat zwei Kriege überlebt, war schwer verwundet, sah sein Atelier- und Wohnhaus zerbombt und setzte doch in den fünfziger Jahren seine Arbeit fort. Leider enthalten uns die Autoren diese Nachkriegsprojekte nahezu vor. Das größte und wichtigste, der Wiederaufbau der Innsbrucker Stadtsäle und des Stadtcafés, wird wohl gezeigt, aber die Emphase liegt wieder einmal ganz deutlich in den Dreißigern. Und somit bleibt die Darstellung auf wenige Jahre eingeschränkt. Wenn man nur die herausragendsten Bauten zeigen will, dann ist das richtig, aber Baumann hat länger gelebt und mehr gebaut. Sein letztes eigenes Haus in Innsbruck (1952), ein Versuch zur Nachkriegsmoderne, oder etwa die Wohnbauten, die Baumann im Rahmen der Nazi-Planungen für die „Neue Heimat“ 1940 realisierte, werden nur im Werkverzeichnis angeführt. Schade eigentlich, in einem so wichtigen Buch!


Abbild der Zeitgeschichte
Zu einer besonderen Karriere im Dritten Reich kam es für Baumann nie, obwohl er NSDAP-Mitglied war. Denn er ließ sich als Obmann der Reichskulturkammer in Tirol auf eine Kontroverse mit Gauleiter Franz Hofer ein. Hofer wollte zum Zweck der Verkehrsoptimierung im Zentrum Innsbrucks zwei historische Denkmäler, die Triumphpforte und die Annasäule, abreißen lassen. Baumann sprach sich vehement dagegen aus. Albert Speer, der Innsbruck im Zuge einer Dienstreise besuchte, mußte den Streit schlichten und gab Baumann recht. Nach Kriegsende betreute Baumann Sanierungs- und Wiederaufbauarbeiten in der Stadt und erlangte mit den bereits erwähnten öffentlichen Bauaufgaben rund um die Stadtsäle (1953-60) noch einmal Bekanntheit. Ein Verzeichnis der Bauten und Projekte bis ins Jahr 1969 und eine Innsbruckkarte ergänzen die Werkschau. Zur Beschreibung der einzelnen Objekte wurde eine wissenschaftliche Tonart gewählt, die mit ihrem typischen „Architektenvokabular“ manchmal ein wenig ermüdet. Dieser Umstand mindert aber nicht dem Wert des Buches, das in jeder Bibliothek zwischen den anderen „Alpinen“ stehen sollte. (Eva Maria Froschauer)


Horst Hambrusch, Joachim Moroder, Bettina Schlorhaufer
Broschur, 240 Seiten, ca. 460 Abbildungen,
Folio Verlag, Wien Bozen 1998
ISBN: 3-85256-069-1


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