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01.01.1998

Lexikon der Architektur des 20. Jahrhunderts

Bücher im BauNetz


Hatje 1983
Vor mir liegt die fünfzehn Jahre alte Vorgängerausgabe. Innen auf dem Buchdeckel verblaßt langsam der Abdruck eines Namensstempels, wie man ihn gewöhnlich zur Konfirmation erhält. Die Seitenränder sind vergilbt, und überall sonst sieht man die Spuren des häufigen Gebrauchs. „Der Hatje” steht als eines der liebsten Architekturbücher im Regal. Man nimmt ihn zur Hand, wenn es eilig eine Frage zu klären gilt oder sich Unsicherheiten eingeschlichen haben. Den Pfeilen zum nächsten Stichwort hinterhergeblättert und den Literaturverweisen gefolgt, gibt das Buch noch immer das sichere Gefühl, aus einem großen enzyklopädischen Fundus etwas Wissen auf die Festplatte des eigenen Gedächtnisses hinüberladen zu können. Der Hatje, Ausgabe Nummer Eins, folgte 1983 dem 20 Jahre zuvor erschienenen „Knaurs Lexikon der modernen Architektur“ nach. Er sollte das schwerpunktmäßig der „geschichtslosen” Moderne nahestehende, alte Lexikon nun durch ein um Begriffe wie den Historismus und Persönlichkeiten wie Heinrich Tessenow ergänztes, neues Nachschlagewerk ersetzen. Der Architekt und Theoretiker Vittorio Magnago Lampugnani nahm sich der Aufgabe an, in das zuvor von Wolfgang Pehnt betreute „Knaurs Lexikon“ mehr Geschichte hineinzuschreiben, um dieser gerechter zu werden - so, wie es in der Architektur längst geschehen war.


Hatje 1998
Zahlen belegen die Erweiterungen und Ergänzungen, die unternommen wurden, um die „Architektur unserer Zeit” noch besser in den Griff zu bekommen: Das dicker und größer gewordene Buch wurde von 337 auf 511 Stichwörter aufgestockt, zu den 534 Abbildungen kamen weitere 72 hinzu, die Anzahl der Autoren hat sich knapp verdoppelt. Herausgeber Lampugnani, Professor für Geschichte des Städtebaus an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich, hat neben zahlreichen prominenten Kollegen sämtliche Lehrstuhlmitarbeiter und Kollegen des Instituts für Geschichte und Theorie der Architektur am Hönggerberg mitverpflichtet, was selbstredend für gebündeltes Wissen bürgt. Unter der gedanklichen Klammer, die der Herausgeber vorgibt, haben sich die internationalen Autoren nach ihren Vorlieben und Schwerpunkten eingebracht, lieferten die Sachkenntnis zu den einzelnen Eintragskategorien: Biographie, Überblick zur Entwicklung einzelner Länder und Darstellungen von Gruppen, Strömungen und Bewegungen.


A wie Aalto bis Z wie Zumthor
Wir wissen um die Vorlieben des Herausgebers. Wie verfährt Lampugnani mit den Exponenten der „Modernität des Dauerhaften“? Wieviel ist von jenem Geist miteingeflossen, wie verhält sich der neue Band hier zum alten? 1983 gebührte einem künftigen, neuberlinischen Star noch kein Eintrag. 1998 sehr wohl, als einem Architekten, der mit der „Besinnung auf das Wesen der Architektur, der Suche nach einem städtischen Bauen und der Sorge um die gute Ausführungsqualität“ arbeitet - Kollhoff, Hans. Zwei Seiten weiter: Koolhaas, Rem: Er wird zwar als „radikale Kraft der europäischen Szene“ bezeichnet, scheint aber - gemessen am Eintrag im alten Hatje - in den letzten fünfzehn Jahren auf der Stelle getreten zu sein und kaum einen Output geleistet zu haben, was einer ziemlichen Verstümmelung nahe kommt. Manche Stichworte meint man, müßten immer schon dagewesen sein, so daß es kaum denkbar ist, daß sie jetzt erst dazugekommen sind. Aber: Jean Nouvel und das Ökologische Bauen sind neu, Argentinien ist ein Architekturland, Camillo Sitte ist wiederentdeckt. Und auch Rausschmisse sind möglich: Wilhelm Holzbauer hat man wieder ausgetragen. Die Jahrhundertarchitekten indes, bleiben nach der Formel „Länge des Eintrags entspricht Bedeutung“ die gleichen - beruhigende Dauerhaftigkeit, daß wir heute wissen, wen wir in zwei Jahren als „die“ Architekten des vergangenen Jahrhunderts bezeichnen werden.


Klammer für die Zeit
Lexika sind trotz aller vorausgesetzten Objektivität Zeitdokumente. Will man ein altes Buch nun gegen ein neues, vollständig überarbeites tauschen, dann nicht nur den Argumenten Ergänzung und Aktualität zuliebe. Sondern auch deshalb, weil so mancher Blick zurechtgerückt werden mußte und die zunehmende Distanz neue Einträge verlangte. Als gälte es noch schnell alles Wissen zusammenzuraffen, als fürchte man, die Geschichte ansonsten zu verlieren, häufen sich mit dem näherkommenden Jahr 2000 die Jahrhundertausgaben aller Provenienz. Das gilt für die neue Prachtedition des „Brockhaus“ ebenso wie für die Jahrhundert-Serie des „Spiegel“. Kaum verwunderlich, daß auch auf dem Architekturbuchmarkt ein vermehrtes Erscheinen von Überblickswerken auffällt. Einer Architekturenzyklopädie, einer selektiven und wichtigen wie „dem Hatje“, kommt dabei mehr die Eigenschaft eines Sensoriums für Architekturgeist und Tiefenschärfe im einzelnen zu, denn die Aufgabe des reinen Sammelns. (Eva Maria Froschauer)


Vittorio Magnago Lampugnani (Herausgeber)
Vollstandig überarbeitete Neuauflage.
Texte von Jean-Louis Cohen, Kurt W. Forster, Kenneth Frampton, Jacques Lucan, Robert Maxwell, Wolfgang Pehnt, Julius Posener, Christain Schädlich, Wilfried Wang u.a.
Pappband, 17 x 24 cm, 440 Seiten, 606 Abbildungen,
Verlag Gerd Hatje, Ostfildern 1998
ISBN: 3-7757-0738-7



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