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04.03.2013

Aufbruch! Architektur der fünfziger Jahre in Deutschland

Bücher im BauNetz


Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, das sind Begriffe, die im Kontext zur Architektur der 50er Jahre fallen. Nur nicht an die schuldbeladenen Jahre erinnern – dieses Ziel verband die meisten Architekturschaffenden nach dem 2. Weltkrieg.

„Aufbruch!“ – der Titel des Fotobuchs von Hans Engels lässt keinen Zweifel daran, was die Architektur im Deutschland der 50er Jahre leisten wollte, nachdem die erste Schockstarre überwunden und die Trümmerberge in den zerstörten Städten einigermaßen beiseite geräumt worden waren.
Aus heutiger Sicht sind wir erleichtert, dass nicht alles umgesetzt wurde, was Alexander Mitscherlich 1964 als „Unwirtlichkeit der Städte“ anklagte. Tatsächlich fielen mancherorts den Abrissbirnen mehr Altbauten zum Opfer als durch Bombenangriffe.
Dass aber auf der anderen Seite eine wunderbar beschwingte, leichte, transparente Architektur entstand, dafür fehlt häufig immer noch der Blick. Die Fotos von Hans Engels und die knappen, informativen Texte von Axel Tilch portraitieren echte Schmuckstücke, lassen den Geist der 50er Jahre aufleben und mit dem zeitlichen Abstand eine vielleicht größere Wertschätzung für diese Bauten erkennen als zur Entstehungszeit.

Der FAZ-Redakteur Dieter Bartetzko vergleicht in seinem einleitenden Essay die Architektur des „New Look“ – angelehnt an den aus den USA reimportierten International Style – mit der Mode und der Musik: Die Formensprache wird freier, alles „swingt“ (konkave Fassaden), bläht sich (Segeldächer), rotiert (die Treppenläufe), federt ra-sant (geknickte Stützen).
Als Neuinterpretation der Vorkriegsmoderne, geschwungen statt streng kubisch, kamen diese Gebäude daher und verhalfen dem Land zu einem neuen Selbstbewusstsein. Auch international äußerte sich das: Sep Ruf und Egon Eiermann entwarfen für die Weltausstellung in Brüssel 1958 acht gläserne Pavillons. Da sie wieder abgebaut wurden, sucht man sie in dem Buch vergeblich. Anders die Münchner Maxburg (Sep Ruf und Theo Pabst, 1957): Das nüchterne Justizgebäude birgt ein wunderbar elegantes Treppenhaus in seinem Inneren, vom Fotografen sehr wirkungsvoll in Szene gesetzt. Berlin ist unter anderem mit dem „Schirmständerhaus“ (Hans Simon, 1956), dem Kino International (Josef Kaiser, Heinz Aust, 1963) und natürlich der Philharmonie (Hans Scharoun, 1963) vertreten. Aus Saarbrücken ist ein Frühwerk Gottfried Böhms dabei, die Kirche St. Albert (1955), deren Tragwerk wie eine Krone über das Dach und einen Glaszylinder ragt. Die kühn gebogene „Schwimmoper“ aus Wuppertal (Friedrich Hetzelt, 1957), die Hamburger Großmarkthalle (Bernhard Hermkes, 1960) und die Haniel-Garage in Düsseldorf (Paul Schneider-Esleben, 1953) sind nur einige der insgesamt 47 dokumentierten Bauten.
Das wieder erwachte Selbstbewusstsein hatte absurde Parallelen zur Folge: Nach Jahren der
„Ruinenphobie“ (Bartetzko) besann man sich wieder auf historische Substanz, und so wurden in Frankfurt Ende der 50er Jahre zeitgleich die neobarocke Alte Oper (1880) originalgetreu restauriert und gegenüber das stahlgläserne Zürichhochhaus gebaut. Letzteres wurde 2002 wieder abgerissen; Frankfurt hat eines seiner ersten und elegantesten Hochhäuser verloren.

Die Anerkennung der 50er-Jahre-Bauten verteilt sich ungleichmäßig, viele werden abgerissen. „Aufbruch! Architektur der Fünfziger Jahre in Deutschland“ macht neugierig auf diese Ära und regt dazu an, genau hinzuschauen. (Christina Gräwe)

Aufbruch! Architektur der fünfziger Jahre in Deutschland
Fotografiert von Hans Engels
Prestel, München 2012
160 Seiten, 80 farbige, 15 sw Abbildungen
39,95 Euro

www.randomhouse.de


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