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24.01.2011

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Stelldichein in Frankfurt

650 Besucher bei der Wiedereröffnung des DAM


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„Gut Ding will Weile haben“, der Volksmund muss es wissen. So hat auch die Sanierung des Deutschen Architekturmuseums (DAM) etwas länger gedauert, was insofern positiv war, als die Wiedereröffnung am vergangenen Freitag offensichtlich umso gespannter erwartet wurde: 650 Besucher drängten sich zur ersten Ausstellungseröffnung seit dem 30. Januar 2009. Damals wurden die Zeichnungen von Sergei Tchoban gezeigt (siehe BauNetz-Meldung), jetzt wird im frisch sanierten Erdgeschoss das Werk von Paul Bonatz ausführlich ausgebreitet (siehe BauNetz-Meldung vom 18. Januar).

Wer eigens wegen der Sanierung dieser von O.M. Ungers 1984 stark umgebauten Doppel-Villa gekommen war, der musste sozusagen „enttäuscht“ werden. Die Arbeiten konzentrierten sich vor allem auf die Ausstattung des Gebäudes mit neuer Sicherheits-, Brandschutz-, Klima- und Heiztechnik. So war es ein heiteres Spiel während der Eröffnung: Finden Sie 10 Vorher-Nachher-Unterschiede. Jedenfalls strahlen die Quadratraster wieder in hellem Weiß, dazwischen liegen verschiedene Grautöne oder Schwarz, wie im Auditorium unten, die Ungers'schen Stühle sind aber „so hart geblieben, wie sie sind“, davon konnten sich die Gäste der Eröffnung gleich überzeugen. Es sei eben alles „in der Grundhaltung seines Erbauers“ renoviert worden, sagte Direktor Peter Schmal der Frankfurter Rundschau letzten Mittwoch.

Bernward Kraus ist der Architekt des drei Millionen Euro teuren Umbaus, er hatte noch in Ungers' Frankfurter Büro gearbeitet. Wichtigstes neues Element ist dann auch die Öffnung des (natürlich) quadratischen Innenhofs, die schon von Ungers selbst gefordert worden war. Hier soll jetzt eine Gleditschie eingesetzt werden, ein Lederhülsenbaum, dem ein längeres Leben zugetraut wird als der alten Kastanie, die Ungers hier zwar erhalten hatte, die aber bald darauf eingegangen war. Die Sanierung folgte also einer äußerst behutsamen Strategie, die den Bau tatsächlich so zum Strahlen bringt, wie er vielleicht nicht einmal zur Fertigstellung gestrahlt hat; und die endlich die moderne Museumstechnik mitbringt, die heute für kostbare Leihgaben gefordert wird.

Die erste große Retrospektive auf das Werk von Paul Bonatz hat hingegen, wie der Spiegel findet, das „Zeug zum Aufreger“. Das liegt natürlich vor allem daran, dass der Stuttgarter Hauptbahnhof fast jedem Besucher aus der Tagesschau geläufig sein sollte. Die Ausstellung wolle sich aber nicht, wie Kurator Wolfgang Voigt betont, auf diese Auseinandersetzung konzentrieren – auch wenn sie ihr natürlich zu gern gesehener Aufmerksamkeit verhilft. Ob die Ausstellung, die bereits seit 2003 konzipiert wurde, in der Debatte um „Stuttgart 21“ sowieso „leider viel zu spät kommt“, wie der Mannheimer Morgen findet, bleibt insofern abzuwarten, als in Baden-Württemberg am 27. März gewählt wird. Zur Eröffnung wurden intensive Diskussionen zwar nur am Rande geführt, dass es aber bei einer Person wie Paul Bonatz genügend Stoff für Kontroversen gibt, wurde bereits in den Eröffnungsreden von Wolfgang Voigt und Jean-Louis Cohen klar. Wir freuen uns, dass wir sie unten an dieser Meldung exklusiv als Download anbieten dürfen.

Die große Debatte wird in Frankfurt wohl im Begleitprogramm kommen, wenn erst Christoph Ingenhoven seine aktuellen Pläne vorstellt und dann Peter Conradi die Ideen für „K21“ vorstellt, also jenes alternative Konzept eines modernen Kopfbahnhofs, das die Kritiker des unterirdischen Bahnhofs in Eigenregie erstellt haben. Im Ausstellungstext heißt es, etwas versteckt ganz am Ende, dafür aber umso deutlicher, der Abbruch zerstöre „die architektonische Komposition, der Bahnhof wird zum amputierten Krüppel.“

Auch in der zweiten Kontroverse um Paul Bonatz, die von der Tagespresse geradezu begeistert aufgegriffen wurde, kann man der Ausstellung und dem äußerst ausführlichen Katalog (im Telefonbuchformat) keine neutrale Position vorwerfen: Oder muss eine Ausstellung selbst werten? Bonatz' Leben und Werk ist kontrovers und widersprüchlich, und so wird es auch mit allen Facetten präsentiert. Erst Aktivist im Arbeiter- und Bauernrat 1918 verteidigte er noch 1932 seinen jüdischen Assistenten, um dann für die Nationalsozialisten Autobahnbrücken und Neckarstaustufen zu bauen und sich auch an Speers Metropolplanungen unter anderem für einen neuen Münchner Hauptbahnhof zu beteiligen. Sogar seine Auswanderung in die Türkei 1944 ist kein eindeutiges Zeichen: Ob spätes, politisch motiviertes Exil oder nur die Flucht vor einem absehbaren Kriegsende ist kaum zu klären. Bonatz entzieht sich politisch einer eindeutigen Zuordnung so weit, dass man ihn wohl am ehesten als Opportunisten einordnen kann. Er selbst sagte dazu noch lange nach Kriegsende: „Wir Architekten wollen und müssen bauen.“ Und damit befindet er sich letztlich auf derselben langen Liste von Architekten (wie etwa Le Corbusier), die im Interesse ihrer Karriere und ihrer Visionen in der Wahl ihrer Auftraggeber stets äußerst flexibel waren.
 
Mit dem großen Presse-Echo auf die Bonatz-Ausstellung kann das DAM in jedem Fall voll zufrieden sein; selten scheint eine Ausstellung so genau zur rechten Zeit gekommen zu sein und das Interesse an einer lebhaften Debatte sowohl über den Umgang mit dem Bahnhof in Stuttgart als auch mit der braun gefärbten Vergangenheit Bonatz' ist ganz offensichtlich gegeben. Und welche Rolle sollte ein deutsches Architekturmuseum wohl in der hiesige Architekturlandschaft einnehmen, wenn nicht die einer Heimstatt für lebhafte Debatten?

Das DAM ist also endlich wieder im eigenen Haus angekommen. Willkommen daheim. (Florian Heilmeyer)


Downloads:

Eröffnungsrede von Wolfgang Voigt über Paul Bonatz (als pdf-Download)
Eröffnungsrede von Jean-Louis Cohen über Paul Bonatz (als pdf-Download)

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Kommentare

5

sven | 26.01.2011 11:31 Uhr

U N G E R S

Nein, Ungers darf man nicht verändern. Steht generell unter Denkmalschutz. Auch das Quadrat (c) an sich darf nicht mehr verändert werden –

Ernsthaft: was wäre das erst für ein Aufschrei gewesen, wenn das DAM den Ungersschen Plan revidiert hätte. Dafür bräuchte es ja MINDESTENS einen auropaweiten Wettbewerb – oder besser einen Neubau, hinter dem DAM, unterirdisch, wie alle Museumsneubauten in Frankfurt derzeit....!!

4

auch ein | 25.01.2011 21:19 Uhr

architekt

warum hatte niemand den mut die unzulaenglichkeiten zu verbessern ? oder steht das ding schon unter denkmalschutz ?
das haus im haus war doch schon immer zu eng, der empfang zu klein....

aber hauptsache quadrate......

aber das haette sicher eine gotteslästernde diskussion entfacht

3

Zipfel | 24.01.2011 18:29 Uhr

oh ja!

Wunderbar: „Wes Brot ich ess, dess Lied ich sing!“ -- gutes altes Architektenmotto. Und dann mit den drei Affen durch den politischen brei, ich wars nicht Adolf Hitler ists gewesen und wenn das System, für das ich gebaut habe, untergeht, dann suche ich mir ein neues! Wunderbare, schöne, unpolitische Architektenwelt...

2

Sascha | 24.01.2011 18:27 Uhr

Opportunismus

Hmmm. Also ist es viel besser, ein Opportunist zu sein? Ich glaube nicht, auch nicht wenn Le Corbusier auf derselben Liste steht. Nein, genau das sollte doch in der Architektur dringend thematisiert werden und scheint mir in den letzten jahren – über viele humanitäre Organisationen wie architecture fro humanity etc – auch immer mehr in den Vordergrund zu treten. Immerhin scheint allgemein die Abhängigkeit von den Auftraggebern imemr mehr abzunehmen, die Optionen werden für unsereins größer und mehr. Wir können jetzt auch im eigenen Auftrag arbeiten, gleichzeitig nehmen die undemokratischen Staaten ab, denen man früher aus Not folgen musste (wobei ich auch das für eine Ausrede halte!!) – Bonatz zum Beispiel hätte doch auch früher in die Türkei gehen können – oder?

1

Sebastian | 24.01.2011 17:00 Uhr

Ausstellungen im DAM...

...für mich in den letzten Jahren regelmäßig ein Ärgernis! Konzeptionell ungenügend, mangelhaft aufbereitet und schlecht präsentiert.

Bilder, wo man sich Schnitte und Grundrisse wünschte. Außenansichten, wenn es in Texten um die Qualitäten der Innenräume ging. Modelle ohne Zusammenhang, kleine Schriftgrößen und die immer wiederkehrenden Fragen: Wo geht die Ausstellung los und wo hört sie auf? Und warum geht man nicht inhaltlich in die Tiefe, wenn man doch drei Stockwerke Platz hat? Unrühmlicher Höhepunkt: Eine Fernsehturm-Ausstellung, die es schaffte, nicht einen einzigen Fernsehturm zu zeigen.

Wenn sich schon die Kabuff-Atmosphäre des Museums nicht ändern lässt, so doch zumindest die Qualität der darin präsentierten Ausstellungen. Hoffentlich.

 
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