Platz 9
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März / April 2014

Universität Innsbruck

46°36`53,1" N 11°27`40,7" E

Ein Entwurf für das Ritter Horn

von Arno Wieland

Hochschule:

Universität Innsbruck

Abschluss:

Master

Präsentation:

13.03.2014

Lehrstuhl:

studio 2

Rubrik:

Kulturbauten

Software:

cinema4d, rhinoceros,Auto-Cad, indesign, illustrator, photoshop

Der Ort: 

Das Rittner Horn ist die höchste Erhebung des Rittner Hochplateaus in Südtirol.
Nördlich der Landeshauptstadt Bozen gelegen, ist es ein beliebtes Ausflugsziel und fungiert als Nah-Erholungsort.

Die geographische Position inmitten Südtirols sowie seine topographische Beschaffenheit bieten einen einzigartigen 360° Blick mit spektakulärer Aussicht auf die Dolomiten und deren Gipfel; darunter der Schlern, Rosengarten, Latemar und die Sellagruppe. Sie zählen zu den ästhetischsten und bedeutendsten Bergen in Südtirol und sind Teil des UNESCO Weltkulturerbes. Weiter entfernt, im Südwesten der Ortler, wo die erste Schutzhütte Südtirols entstand. Im Nordosten die Zillertaler Alpen.

Die Gegenwart:

Aktuell gibt es am Rittner Horn ein Schutzhaus.
1889 als auf den Ort Bezug nehmend und sich gut in die Landschaft integrierender Steinbau errichtet, hat das Schutzhaus durch kleinere Zubauten und Fassadenumgestaltung an Charakteristik und Ausdruck verloren. 

Größere Problematik weisen die Bauphysik (das Gebäude muss im Winter geschlossen bleiben) und seine Raumprogrammatik auf. Bewirtschaftungs- und Bewegungsachsen der Gäste überlagern sich ungünstig. Serviceräume und Küche sind zu klein. Die Bewirtschafter haben kaum bis keine Privatsphäre. Das Haus kann den Besucherstrom nicht mehr aufnehmen. Vor allem die Zahl der Tagesgäste hat seit dem Erbauungsjahr erheblich zugenommen.

Während es im Sommer vor allem von Wanderern besucht wird, ist es im Winter der Abschluss des Skigebietes Rittner Horn. Ein Einzel-Schlepplift endet vor dem Schutzhaus.

Außer den Skifahrern zieht der Ort auch Skitourengeher an, (welche aufgrund der im Winter geschlossenen Hütte nach erreichen des Aussichtspunktes auf die darunterliegenden Restaurants ausweichen). Es wäre von der Nachfrage her möglich das Haus auch im Winter zu öffnen.

Die Analyse (ein Auszug):

Die Aufstiegswege sind in ihrem Anspruch an den Wanderer sehr unterschiedlich. So reicht die Zielgruppe vom einfachen – touristisch motivierten Spaziergänger welcher den Aussichtspunkt nach einem zeitlich gut bemessenen Spaziergang von einer Stunde erreicht; bis hin zum anspruchsvollen Wanderer welcher nach Aufstiegszeiten von bis zu 6 Stunden ankommt.

Das Gelände erfährt in seiner topographischen Beschaffenheit genau am Bauplatz eine Umkehrung. Während es von Süden her, geprägt durch Almen sanft bis an den Aussichtspunkt ansteigt, reißt es unmittelbar am Bauplatz ab, erzeugt ein Spannungsmoment  und ist im Norden durch alpines Terrain geprägt. Hier finden sich schroffe Felsen und eine „Steinwüste“ welche mit zunehmender Entfernung wieder in eine Almlandschaft übergeht. Kontrovers wie die Landschaft und vielseitig wie die Interessen seiner Besucher muss der Entwurf in Form und Raumprogramm hybrid sein. Er muss touristische Infrastruktur und alpiner Stützpunkt zugleich sein, traditionelle Elemente und die Atmosphäre bestehender Schutzhütten aufgreifen und Neues schaffen.

Der Entwurf:

Der Entwurf geht in seiner Form auf das umliegende Gelände ein und greift mit seiner Formensprache das zerklüftete, brüchige Gestein auf. Der Eingang ist ein schützender „Felsüberhang“, ein Zitat an eine der Urschutzhütten; dem „Hotel des Neuchâtelois“ von 1840. 

Über ein paar Stufen gelangt der Wanderer in das Gebäude. Hier findet sich der einzige Raum ohne eindeutige Blickbeziehung nach draußen. Der ankommende Wanderer soll seinen Blick nach innen richten und sich einen Moment vom Aufstieg erholen, um dann in die nach außen geöffneten Räume weiterzugehen und die Landschaft bewusster und intensiver wahrzunehmen. In Zentrum des „fensterlosen“ Raumes, der Trinkhalle findet sich ein Monolith aus Porphyr; ein Trinkbrunnen zur ersten Erfrischung nach der Anstrengung. Angegliedert finden sich Trockenraum und Sanitäreinrichtungen.

Sind die unmittelbaren Bedürfnisse nach einer Wanderung gestillt,  gelangt man über ein paar Stufen wieder hinunter auf Geländeniveau. Von hier aus erreicht man das gesamten Gebäude: Einen konsumfreien Raum zum lesen und entspannen, den Gastronomiebereich, die Zimmer für den Übernachtungsgast im 1. OG sowie die Außenbereiche. Der Gastronomiebereich (im EG) ist in zwei Teile gegliedert, welche durch eine Feuerstelle getrennt sind: zum einen das Restaurant dessen Sitzplätze so angeordnet sind, dass jeder Gast ungestörten Ausblick auf die Dolomiten hat, zum anderen als Stube mit herabgesetzter Raumhöhe und traditionellen Einrichtungselementen. Der Boden des Panorama-Restaurants folgt dem Geländeverlauf. Er ist auf ca. 1m unter Geländeniveau. Dies hat zum einen raumprogrammatische Gründe zum anderen soll es einen ungewohnten Blickwinkel auf die äußere Landschaft bieten und ihre Wirkung intensivieren.

Die Decken - Spannten aus Zirmholz im Restaurant dienen der Verbesserung der Raumakustik, formal sind sie der Negativform eines Gebirges abgeleitet.
Die Bewegungsachsen von Gast und Bewirtschaftung sind im neuen Entwurf klar voneinander getrennt und verlaufen auf unterschiedlichen Ebenen. 

Der Wanderweg endet nicht mehr am Gebäude, sondern wird durch die Rampe auf das Gebäude weitergeführt. Hier findet sich eine Dachterrasse mit Sitznischen und uneingeschränktem 360° Blick auf die umliegende Bergwelt.

Auf 3/4 Höhe der Rampe durchdringt ein Außenbereich den Baukörper. Die  Rampe nimmt den Besucher in umgekehrter Weise auf wie der Überhang am Haupteingang. Beim betreten heben sich die Seiten an bis man sich in einem höhlenartigen Gang wiederfindet. Bei geschlossener Hütte bietet dieser dem Wanderer einen Unterstand und Schutz. Diese Durchdringung beginnt in der Schräge der Rampe und zieht sich Längs durch das Gebäude und führt den Wanderweg durch das Gebäude weiter.
Er endet schließlich auf einer kleinen Aussichtsplattform über dem Abgrund. Die Plattform soll alpine Ausgesetztheit vermitteln. An den Gang zur Aussichtsplattform angegliedert, gelangt man über einen Vorraum (Garderobe und Umkleide) mit angegliederten Duschen in die Sauna. Ihr Hintergrund ist nicht luxuriöser Natur, sondern vielmehr der einer Sensibilisierung für die Landschaft. Ein Rückzugs-Ort.
Der Durchdringungsgang bietet auch eine weitere Möglichkeit das Gebäude zu erschließen. Auf ca. der Hälfte des Ganges gelangt man ins Innere. 

Die Größe der Gästezimmer variiert zwischen zwei und sechs-Bett Zimmern;
auf Schlaflager wurde bewusst verzichtet. Der Hüttenwirt und das Personal haben im EG (über die Küche erreichbar) ihren eigenen, von den Übernachtungs-Gästen abgetrennten Wohnbereich und somit auch mehr Privatsphäre.

Im UG sind die Lager und Technikräume untergebracht. Sie sind über eine Wendeltreppe und einen Warenaufzug mit Küche und Anlieferung verbunden. Weiters befindet sich im UG ein Wassertank in den das Trinkwasser von einer tiefer liegenden Quelle gepumpt und gesammelt wird. Ein Massespeicher zur thermischen Energieregulation wäre denkbar.

An Südost und Nordwest Fassade sind Photovoltaik und Solarpaneele zur energetischen Unterstützung angebracht. Die Neigung der Paneele richtet sich nach dem Sonneneinfallswinkel, um deren Wirkungsgrad zu erhöhen. Die Solaranlagen machen Sinn, sind Sie doch aufgrund der klaren Luft und der hohen Strahlungsreflexion im Winter um bis zu 80% ergiebiger als vergleichbare Anlagen im Tal. Die Erreichbarkeit des Bauplatzes über einen Forstweg bietet eine größere Freiheit und mehr Möglichkeiten bei der Materialisierung.

Der Entwurf ist in Infraleichtbeton angedacht. Bei einer Wandstärke von 50cm entfällt die Notwendigkeit einer zusätzlichen Wärmedämmung, bei gleichzeitigem Erhalt der Sichtbetonoberfläche Innen und Außen. Der Entwurf ist ein maßstäblich vergrößerter, künstlicher Stein in einem Steinfeld. Mit zunehmendem Bestehen verwittert das Gebäude, bis es sich immer mehr in die Landschaft einfügt.

Die Zeit soll am Gebäude ablesbar sein, eine Patina, erzeugt durch die Einwirkungen der spezifischen klimatischen Bedingungen des Ortes sich an seiner Oberfläche abzeichnen.