26.02.2016

Alejandro Aravena und die 88 Reporter

Biennale: Wer macht mit und worum geht es

Diese Biennale wird anders als die anderen: Mit einem frisch gekürten Pritzker-Preisträger als Direktor und inhaltlichen Schwerpunkten abseits der gewohnten Auseinandersetzung. Nach David Chipperfields „Common Ground“ und Rem Koolhaas „Absorbing Modernity“ widmet sich Alejandro Aravena seiner Biennale mit dem konfrontativen Titel „Reporting from the front“ den Problemlösungen unserer Zeit. Doch es soll keine Charity-Veranstaltung werden, wie man vielleicht zunächst erwarten würde.

Venedig, London, Paris, Berlin: Diese Woche waren Alejandro Aravena und sein Biennale-Team auf Europareise – es folgen nächste Woche noch zwei Stationen in New York und Santiago de Chile. Der chilenische Architekt beginnt die Pressekonferenz mit einem Bild: eine Frau steht mitten in der südamerikanischen Wüste auf einer Leiter und blickt in die Ferne. Aravena geht es bei diesem Foto um die Veränderung der Perspektive – der Blick von oben auf die Landschaft, den Horizont, gemeint ist der Blick von oben auf das Leben. Entdeckt habe er das Foto schon in den Neunzigern, über 20 Jahre habe es gebraucht, bis er es endlich einmal verwenden konnte. Es zeigt die deutsche Naturforscherin Maria Reiche, fotografiert von Bruce Chatwin. Bei dem Versuch die Wüste zu verstehen, hatte sie nach einer neuen Perspektive gesucht. Mangels Alternativen ist sie auf die Leiter gestiegen, um dann zu erkennen, dass die Wüste mitnichten eine eintönige Landschaft darstellt. Aus der Draufsicht konnte sie die Vielfalt der Topographie erkennen. Für Aravenas Biennale in Venedig passt dieses Bild perfekt.

Mit seiner Hauptausstellung „Reporting from the Front“ geht er der Frage nach, was die Frage der Architektur eigentlich ist. Teilnehmen werden 88 Architekten, die jeweils ein aktuelles Problem aus ihrem Arbeitsalltag plus möglicher Lösung ausstellen werden – „Complex issues presented in a simple way without banalizing“, wie Aravena erklärt. „Reporting from the Front“ geht dabei zurück an den Ursprung von Architektur, zum Dialog von allen Teilhabern. In der Synthese verschiedener Bedürfnisse liegt für Aravena die Qualität von Architektur – aber auch ihre Reibungsfläche.

Die Liste der 88 Architekten klingt nach einer vielversprechenden Auswahl. Mit dabei sind die deutschen Büros BeL und Arno Brandlhuber + Christoph Roth, 51N4E aus Brüssel, die Schweizer Architekten Herzog & de Meuron, Christ & Gantenbein und Christian Kerez, Peter Zumthor und Marte.Marte. Architects aus Österreich, Barozzi / Veiga, Aires Mateus, Souto de Moura, Pezo von Ellrichshausen, Tatiana Bilbao, Dellekamp Arquitectos, Alexander Brodsky, Grafton Architects, Shigeru Ban und Atelier Bow-Wow. Neben „Ingenieuren“ wie Norman Foster, Rogers Stirk Harbour + Partners, Transsolar, Werner Sobek finden sich Positionen von Manuel Herz, Kéré Architecture, Anna Heringer, Martin Rauch, Studio Mumbai und NLÉ. Und auch die ehemaligen Biennale-Direktoren David Chipperfield, Rem Koolhaas und Kazuyo Sejima fehlen nicht.

Unter den 61 Länderpavillons sind 2016 mit Kasachstan, Nigerien, den Phillipinen, den Seychellen und Jemen fünf neue Teilnehmer. Was auffällt: Hatte Rem Koolhaas vor zwei Jahren ein gemeinsames Thema vorgegeben, setzen sich für diese Biennale erstaunlich viele Nationenausstellungen mit einer selbstgewählten Fragestellung auseinander: Dem Umgang mit Flüchtenden und Zuwanderung. Neben dem deutschen Pavillon werden sich auch Albanien, Finnland, Frankreich, Österreich und Singapur diesem Thema widmen, während der niederländische Beitrag sich auf eine Mission für den Frieden begibt. Außerdem: Australien baut einen Pool, Anne Holtrop und Noura Al Sayeh bespielen den Pavillon des Königreichs Bahrain und den portugiesischen Beitrag kuratiert Álvaro Siza Vieira unter dem Titel: Neighbourhood: Where Álvaro meets Aldo.

(Stephan Burkoff & Jeanette Kunsmann, Fotos: Anikka Bauer)


15. Architekturbiennale in Venedig

28. Mai bis 27. November 2016