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Johanneskirche in Altenbach

IDEE UND RAUM
Die Konzeption sieht die Ergänzung der Kirche in ihrer bestehenden Kontur vor, sodass ein einfaches, identifizierbares Kirchengebäude entstanden ist, welches im Dialog mit dem Gemeindehaus einen klar definierten Kirchplatz aufspannt. Durch die Verlängerung des Gebäudes wurde der Vorbereich als integraler Bestandteil des Kirchenraumes entwickelt. Empore, Treppen, Nebenräume, sowie Kirchturm mit Orgel sind als zusammenhängende bauliche Struktur in den Raum gestellt und teilen diesen in einen Vorraum und den eigentlichen Kirchenraum. Der Glockenturm durchstößt dabei das Dach und bildet den neuen Einbau insofern auch nach außen ab. Zugleich wurde in der Figur des aus dem Dach ragenden Glockenträgers das ursprüngliches Motiv der Kirche neu interpretiert. Der Weg in den Kirchraum erhält nun durch die Baumaßnahme eine dramatische Raumfolge: von den weitläufigen Platzflächen aus tritt man, über den verglasten Eingangsbereich, Stirnseitig in den hohen Vorraum der Kirche. Der Eingangsbogen ist in seiner Kontur dem Bogen im bestehenden Altarraum entsprechend. Der Vorraum ist ein vertikale Raum und bis unter den First geöffnet, er ist von drei vertikalen ‚Stelen‘ geprägt. Die seitlichen Stelen nehmen die Nebenräume auf und greifen bis unter die Dachfläche. Die mittlere Stele setzt erst auf Höhe der Empore an und durchsticht die Dachfläche als Kirchturm bzw. Glockenträger. Auf der Empore nimmt sie die Orgel auf. Zwischen den Stelen, unter dem Glockenturm hindurch, gelangt man durch den niedrigen Raum unter der Empore in den großen Kirchenraum. Rechts und links der seitlichen Stelen führen einläufige Treppen vom Vorraum auf die Empore.
Auf die mittlere Stehle wird im oberen Bereich, in gleicher Grundfläche der Stehle, der Glockenturm aufgesetzt. Dieser durchstößt das Dach im Firstbereich, an annähernd historischer Stelle. Der Turm streckt sich in den Himmel und beginnt sich in seiner Kontur, je höher er wird, scheinbar auf zu lösen.
MATERIALITÄT
Der ergänzende Anbau wurde nicht im Sinne eines Kontrapunktes zum Bestand entwickelt - vielmehr werden vorfindliche Strukturen des historischen Gebäudes aufgegriffen. Die Baumaßnahme wurde zum Anlass genommen, die bestehende Qualitäten des Raumes und seiner Materialien aufzugreifen und in eine zeitgemäße Formen.- und Materialsprache zu übersetzten.
Das bestehende Kirchengebäude weist ein Sandsteinmauerwerk aus rau bearbeiteten Blöcken auf, die in Reihen unterschiedlicher Höhe mit durchlaufenden Lagerfugen gefügt sind. Die ergänzenden, Wände des Neubaus nehmen die Materialität auf und interpretieren diese: Die Kontur der Wände wurde fortgeführt, jedoch finden nicht rau bearbeitete Blöcke, sondern lange, geschnittene Quader Verwendung. Die Lagerfugen werden außenseitig durch gefaste Kanten gezeichnet und in den neuen, eingefärbten Betonfertigteilen nachgebildet.
Die Materialität des Innenraums wurde vereinheitlicht: Die vorhandenen Vertäfelungen im Sockelbereich wurde entfernt und die Wandflächen weiß gekalkt. Historische und neuen Wandflächen bleiben in einem Materialkanon und variieren leicht, sodass Alt und Neu ablesbar bleibt.
Die neuen, eingestellten Elemente von Empore, Treppen und ‚Stelen‘ wurden als zusammenhängende, monolithische Struktur aus weiß lasiertem Brettsperrholzplatten erstellt, die konstruktiven und materialspezifischen Eigenschafften der Stehlen bleiben für den Betrachter ablesbar. Die hölzernen Sitzmöbel wurden weiß gebeizt, sodass sie in den neuen hellen Farbklang des Kirchraumes eingebunden werden und der Bezug zur den historischen, bestehenden Elementen gestärkt wird. Die Holzdecke, die Kirchenfenster, wie die gesamte räumliche Konzeption als offenes Haus, sollen durch die Baumaßnahme reaktiviert werden. Die Dachfläche wurde in bestehender Form verlängert und neu eingedeckt.

AUSSENRAUM
Der Umbau der Kirche gab die Gelegenheit, die Außenbereiche der Kirche mit den öffentlichen Flächen in einen sinnvollen, öffentlichen Zusammenhang zu stellen. Der gesamte Außenraum um die bestehende Kirche wurde öffentlich zugänglich gemacht. Zunächst wurde die Kirche auf einen einfachen, rechteckigen befestigten Platz gestellt und im Dialog mit dem benachbarten Gemeindehaus ein ebener, barrierefreier Vorplatz als ‚Kirchplatz‘ ausgebildet. Von den vor der Südwand der Kirche erstellten Treppenanlage aus kann die zur Hauptstraße hin anschließende, etwa 1,20 m – 1.80m tiefer liegende Platzfläche überblickt und auch für Kirchenfeste genutzt werden. Diese Fläche liegt an zentraler Stelle der stadträumlichen Aufweitung entlang der Hauptstraße. Kirchplatz und öffentlicher Raum sind stadträumlich mit einander Verbunden und verstärken den Eindruck eines öffentlichen Kirchengebäudes im Dorfmittelpunkt von Altenbach.

Realisierungswettbewerb: 1. Preis 2010
Aufgabe: Generalsanierung und Erweiterung der evangelische Kirche in Altenbach
Bauherr: Evangelische Kirchengemeinde Altenbach
Standort: Schriesheim-Altenbach
Planung: netzwerkarchitekten LP 1-9
Baubeginn: 4/2014
Fertigstellung: 3/2015
Tragwerk: IB brauch, Heidelberg
Haustechnik: S&K Ingenieurbüro, Schefflenz
Lichtplanung: revoluce, Kerpen-Horrem Schwingungsnachweis
Glocken: Müller-BBM GmbH, Linsengericht
Baukosten (300-400): ca. 950.000,- € netto
Mitarbeit: Niklas Storch, Matthias Walter
Fotos: Jörg Hempel, Aachen