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SEHW Architektur

Verwaltungsgericht, Frankfurt/Oder

Foto: Linus Lintner
Foto: Linus Lintner
Ort
Frankfurt/Oder
Gebäudekategorie
Justiz, Polizei, Feuerwehr
Bauvorhaben
Umbau
Jahr der Fertigstellung
2010
Das Gebäudeensemble des Verwaltungsgerichts und der Staatsanwaltschaft befindet sich in einer exponierten stadträumlichen Situation, die gekennzeichnet ist von innerstädtischer Dichte einerseits und der unmittelbaren Nähe zur Oder, welche die Grenze zu Polen markiert, andererseits. Das Gebäudeensemble steht seit 2003 unter Denkmalschutz.
 
Es wurde durch die Bauverwaltung der preußischen Regierung als Land- und Amtsgericht geplant, ab 1931 errichtet und im Sommer 1933 eingeweiht und stellt mit seiner charakteristischen runden Ecke eines der wichtigsten Beispiele der klassischen Moderne in Brandenburg dar. Als eines der wenigen erhaltenen Gerichtsgebäude der Weimarer Republik ist hier noch der moderne und nicht obrigkeitsstaatliche Ansatz der Justizbauten dieser Zeit erkennbar. Er steht deutlich im Gegensatz zu den repräsentativen Gerichtsbauten der Kaiserzeit sowie den folgenden monumentalen Bauten der Nazidiktatur.
 
In seiner wechselhaften Geschichte wurde das Gebäudeensemble 1938 erweitert, wobei sich dieser Bauabschnitt deutlich abgrenzt und die Architekturentwicklung im Dritten Reich bildhaft darstellt. Im Zweiten Weltkrieg stark zerstört, erfolgten in der Nachkriegszeit ein Wiederaufbau sowie ein Erweiterungsbau mit einfachen Mitteln, Veränderungen und gestalterische Überformungen in der Zeit der DDR und 1992 unmittelbar nach der Wiedervereinigung.
 
Der fünfgeschossige Stahlbetonskelettbau mit fassadenbündigen dreiteiligen liegenden Fenstern besitzt einen U-förmigen Grundriss. Im Inneren prägen die breiten Flure, die mittels wieder freigelegten Oberlichtern in den Flurwänden natürlich belichtet werden, das Bild. Die Farbgebung wurde soweit möglich nach den Ergebnissen der restauratorischen Untersuchungen wieder hergestellt.
 
Wichtigster Raum im Gebäude ist das zentrale Treppenhaus mit seinen elegant geschwungenen Linien und der für die Entstehungszeit modern-dezenten Farb- und Materialgestaltung. Es erhält Licht durch ein hohes Fensterband, das von einem Künstler in Anlehnung an die überlieferte Glaskunst der 30er Jahre gestaltet wird.

 
Wesentliches Merkmal des im Mai 2010 abgeschlossenen Umbaus ist die Wiederherstellung des überlieferten historischen Zustandes. Dies erfolgte in enger Zusammenarbeit mit Denkmalpflege, Restauratoren und Sachverständigen. Zwischenzeitliche Veränderungen wurden zurückgebaut, der offene Charakter des Gebäudes wieder erlebbar gemacht. Notwendige Ergänzungen wie Elemente für vorbeugenden Brandschutz, Sonnenschutz, Gebäude- und Sicherheitstechnik, etc. sind als neue Elemente in zeitgemäßer Gestaltung deutlich erkennbar und setzen sich vom historischen Bestand des Gebäudes ab.
 
An der Außenfassade wurde der ursprünglich vorhandene Steinwaschputz wiederhergestellt, eine Technik, die heute kaum noch angewandt wird und der Fassade einen leichten mineralischen Glanz verleiht, ebenso der charakteristische Dachabschluss mit auskragender Attika sowie die in ihrem äußeren Erscheinungsbild dem bauzeitlichen Bestand nachempfundenen Holzkastenfenster, die durch ausgeklügelte Detaillierung allen Anforderungen unserer Zeit entsprechen.
 
Der Anschluss an den Erweiterungsbau aus der DDR-Zeit wird im Innenhof durch einen präzise eingefügten Neubauteil mit Servicenutzungen bewerkstelligt. Seine schwarze Kunststofffassade stellt eine deutliche Zäsur zwischen der Weißen Klassischen Moderne und der Nachkriegsmoderne dar und markiert in der Kompromisslosigkeit seiner Öffnungen, Farbigkeit und Materialität den Aufbruch des Gebäudeensembles in die Zukunft.
 
Zeitgemäße Interventionen werden im stark umgestalteten Nachkriegsgebäude konzentriert, räumliche Öffnungen als Kommunikationszonen vor Verhandlungssälen ausgebildet, die gekennzeichnet sind von einem kräftigen roten Fußbodenbelag, eingestellten und farblich abgesetzten Nebenraumboxen, Sitzmöbeln, die durch ihre kubische Form eine spielerische Referenz an die Bauzeit des Gesamtensembles herstellen und einer fugenlosen Lichtdecke, die eine angenehme Stimmung erzeugt.
 
Die Verhandlungssäle des Verwaltungsgerichts spielen mit den Gestaltungselementen der öffentlichen Zonen und wandeln diese ab in einen Holzfußboden und rote fest installierte Richtertische. Raumluft-, Medien- und sonstige Technik sind in einem zentralen Element integriert, das gleichzeitig für eine angenehme Raumakustik sorgt.
 
Die Fassade des Nachkriegsbaus wird als rigide Lochfassade ausgebildet. Durch eine tiefe umlaufende Umrahmung der im Gegensatz zu dem Gebäudeteil der Klassischen Moderne stehenden Fensterformate ohne Teilung wird diese Wirkung noch verstärkt, entsteht eine strenge Fassade mit starker Plastizität. Die neuen Fenster einschließlich der Umrahmungen sind in hellem Aluminium gehalten, die glatte mineralische Beschichtung der Fassade in dunkelgrau. Der Eingang zum Verwaltungsgericht wird akzentuiert durch eine zweigeschossige Glasfassade in einem Sichtbetonrahmen, die sich innen zu einem zweigeschossigen einladendem Foyer öffnet.


Fotos: Linus Lintner