Zurück zum Profil
Anderhalten Architekten

Hochschule für Musik "Hanns Eisler", Berlin

Ort
Berlin
Gebäudekategorie
Hochschulen
Bauvorhaben
Umbau
Jahr der Fertigstellung
2005
Bauherr:
Land Berlin, vertreten durch: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
Fehrbelliner Platz 2
10707 Berlin

Planung:
Anderhalten Architekten BDA
Köpenicker Straße 48/49
10179 Berlin

HNF:
4.400 qm

BGF:
10.000 qm

Lph:
2-9

Ort:
Schloßplatz, Berlin

Planungs- u. Bauzeit:
2000 – 2005

Fotos:
© Werner Huthmacher


Der neue Marstall wurde 1898 – 1900 durch Hofbaumeister Ernst von Ihne südlich des Berliner Stadtschlosses errichtet. In Anlehnung an die barocken Formen des Schlosses wurden die Fassaden des viergeschossigen Marstalls neobarock/klassizistisch gestaltet. Die Gesamtanlage bestand aus einem dem Schloss zugewandten Hauptbaukörper mit zentraler Durchfahrt, einem parallel zur Spree angelegten Flügelbau sowie Teilen des integrierten, alten Marstalls. Das Blockinnere wurde durch das Remisengebäude und die Reithalle in drei Höfe geteilt. Im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss des Spreeflügels befanden sich Stallungen für bis zu 350 Pferde. Das 2. Obergeschoss von Schloss- und Spreeflügel war für repräsentative Ausstellungen und Lagerung von Kutschen und Schlitten ausgebaut.

Der realisierte Entwurf ordnet, ausgehend von der historischen Grundstruktur des Gebäudes, die großen Säle im Bereich des Schlossflügels und die kleinteiligen Probezellen im Bereich des Spreeflügels an. Im Schlossflügel werden zwei zusätzliche, neue Treppenräume eingefügt, die das Foyer im 1. Obergeschoss und die Saalzone im 2. Obergeschoss erschließen. Während die räumlichen Strukturen des Schlossflügels für die zukünftigen Funktionen wie geschaffen schienen, wurden im Spreeflügel drei zusätzliche Galeriegeschosse eingefügt. Somit konnte die Nutzfläche der Hauptgeschosse verdoppelt werden und die Übungsräume als akustisch entkoppelte Zellenstruktur unabhängig von den Außenwänden in der Kernzone des Gebäudeflügels eingestellt werden.

Nach der Entfernung der Einbauten der Nachkriegszeit zeigte sich, dass keine historischen Ausbauelemente mehr vorhanden waren. Der rohe Ziegelbau bildet somit die Ausgangsbasis für eine Neuinterpretation der gesamten inneren Hülle. Anders als der erhaltene äußere Bauschmuck erwarten lässt, folgt die Neugestaltung des Innenausbaus rein funktionalen Gesichtspunkten. Neue Materialien werden bewusst reduziert eingesetzt und durchgängig flächig, ohne Betonung von Details gefügt. Sie bilden Volumina wie die Treppengeländer und Brüstungen aus Stahlblech oder die Fronten der Probezellen im Spreeflügel.

Das Hauptaugenmerk der Planung liegt auf akustischen Gesichtspunkten. Dies bedeutet neben der Optimierung der Rohbaukonstruktion hinsichtlich bauakustischer Belange vor allem die raumakustische Auslegung der Einzelräume. Aufgrund des begrenzten Budgets muss auf den Einbau von standardisierten Akustiksystemen verzichtet werden. Den experimentellen Charakter der Hochschule bestimmt dementsprechend die akustische Ausstattung der Probesäle in Bezug auf die Materialwahl und Gestaltung der Raumoberflächen. Als Akustikelemente werden hier, kontrastierend zum freigelegten Mauerwerk, halbtransparente Kunststoffelemente in Form von Kugeln und Kalotten eingesetzt. Die Kalotten sind jeweils flächendeckend an den Stirnseiten der Säle angebracht und funktionieren je nach Oberflächenbehandlung als Schallreflektor- oder Absorberelemente. Den Raumeindruck und die Akustik des Orchesterprobensaales prägen vor allem die oberhalb der Galerieebene eingehängten Kugeln mit bis zu 1 m Radius. Der ehemalige Krönungskutschensaal gewinnt damit über den Einsatz der akustischen Systeme wieder seine plastische Durchgestaltung in zeitgemäßer Interpretation, ohne das historische Vorbild zu karikieren.

Die Konfrontation der alten und neuen, sehr unterschiedlichen Beanspruchungen birgt das Potential eines Eingriffs, der die ursprünglichen, großzügigen Raumdimensionen wiederherstellt. Räume, die jetzt modernen technischen Anforderungen gerecht werden müssen, werden in das Gebäude als zweite Schicht implantiert. So wird ein spannungsvoller Kontrast geschaffen, der das Haus als Denkmal respektiert, gleichzeitig aber eine innenräumliche Neuinterpretation zulässt. Durch seine Lage, Funktion und bauliche Substanz ist der Marstall ein wichtiges, repräsentatives Gebäude, das nun durch die neue Nutzung als kulturelle Einrichtung in den öffentlichen Stadtraum reintegriert wird.