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ASTOC ARCHITECTS AND PLANNERS

Masterplan Emscher-Zukunft

Ort
Ruhrgebiet
Jahr der Fertigstellung
2020
Wettbewerb 2003, 1. Preis, in Bearbeitung

Vor nun schon rund 20 Jahren hatte sich die IBA Emscher Park formiert, um Großes zu bewegen: Eine ganze Metropolregion sollte ein neues Gesicht bekommen. Die Projekte dieses Transformationsprozesses sind heute vielen Menschen bekannt und vertraut. Namensgeber und Kernstück der IBA war jedoch die Emscher, dieser ehemals rund 85 km langer Fluss im Norden des Ruhrgebiet, der von einem offen liegenden Abwassersystem nun wieder in einen Fluss gewandelt werden soll. Mit der ´Neuen Emscher´ erhalten die vielen IBA-Projekte jedoch nicht nur das verbindende Element. Eine der dichtesten Stadt- und Industrielandschaften Europas vollführt eine Hinkehr zum Wasser und wird damit vom Hinterhof des Ruhrgebiet zum Vorzeigeprojekt und Imageträger einer ganzen Region.

Die Emscher bildet seit mehr als einem Jahrhundert das industrielle Rückgrat des Ruhrgebiets. Diese verbindende Funktion sollte auch die Neue Emscher in Form des Emscher Landschaftspark so fortsetzen - schließlich stand die Emscher als Namensgeber bereits Pate. Ein landschaftliches Bild oder aber eine strategische Vorgehensweise zum Umbau der Emscher wurde jedoch erst mit dem Masterplan Emscher-Zukunft geschaffen. Die Grundlage für den Masterplan Emscher-Zukunft wurde 2003 in einem interdisziplinären Wettbewerb geschaffen. Der Entwurf einer langfristigen Strategie und Planungsmethodik von ASTOC Architects and Planners und RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten erhielt den 1. Preis und wählte als Symbol für die Neue Emscher einen farbigen Kabelstrang. Die einzelnen Litzen des Kabelstrangs standen dabei repräsentativ für die Verflechtung von Wasser, Landschaft und Stadt und zeigten bereits hier weite Verzweigungen bis tief in die Region.

Der Masterplan Emscher-Zukunft hat dieses „Kabel“ systematisch zu einem Entwicklungs- und Handlungskonzept weiter entwickelt. Der Masterplan definiert Vision und Leitbild für die städtebauliche und landschaftliche Entwicklung des Neuen Emschertals, leitet daraus ein konkretes planerisches und räumliches Bild ab. In hunderten von Gesprächen mit den Beteiligten Kommunen und den Grundeigentümern wurde gleichzeitig die Idee einer offenen Transformationsstrategie in das Masterplanwerk integriert. Als anpassungsfähige, flexibel agierende und reagierende Planungsplattform sorgt der Masterplan damit nicht nur für einen Austausch zwischen den verschiedenen Fachdisziplinen, sondern auch zwischen Politik, Verwaltung und den Menschen vor Ort an der Emscher.

Insgesamt besteht der Masterplan aus drei verschiedene Planwerken: Freiraumplanung und Städtebau, Ökologie und Wasserwirtschaft. Mit der nahezu unabhängigen Entwicklung dieser drei verschiedenen Planwerke galt es, die jeweils optimale Sichtweise auf die Potentiale, die das Wasser innerhalb der einzelnen Fachdisziplin bedeuten kann, auszuschöpfen und sichtbar zu machen. Dabei beschränkten sich die einzelnen Planwerke in ihrer räumlichen Ausdehnung nicht nur auf die unmittelbar an die Emscher angrenzenden Flächen, sondern gehen über die rund 50 Nebenläufe und vielfältigen Wegeverbindungen auch weit darüber hinaus. Erst nach Abschluss der einzelnen Planwerke wurden dann im Entwicklungskonzept die drei Planwerke miteinander verhandelt und synchronisiert.

Der Umbau der Emscher wird die industrielle Kulturlandschaft des Emschertals nachhaltig verändern. Das Abwasser der Emscher wird zukünftig in geschlossenen Kanälen abgeleitet, der Fluss und seine Nebenläufe werden Schritt für Schritt in naturnahe Gewässer umgebaut. In einigen Nebenläufen der Emscher fließt bereits wieder klares und sauberes Wasser. Bereits in ein paar Jahren werden die offenen Schmutzwasserläufe der Vergangenheit angehören. Aus dem „Entsorger“ von Abwässern wird ein „Versorger“ mit wertvollen Biotopen, attraktiven Orten zum Wohnen und Arbeiten, ein Landschaftsraum für Kunst, Kultur und Freizeit. Der Masterplan Emscher-Zukunft hat sich zur Aufgabe gemacht, alle Planungen und Einzelprojekte, die in einem mittelbaren und unmittelbaren Zusammenhang mit der Gewässerumgestaltung und der dafür notwendigen technischen Infrastruktur stehen, zu bündeln.

Nach der Veröffentlichung des Masterplan im Jahr 2006 sind - neben den öffentlichen Investitionen in Höhe von rund 4,5 Milliarden Euro - auch viele privatwirtschaftliche Initiativen und Projekte entstanden, bzw. werden aktuell bereits umgesetzt. Denn neben den ökologischen, städtebaulichen oder wasserwirtschaftlichen Vorhaben finden auch die den Umbau begleitenden Kunst- und Kulturprojekte großes Interesse. Sie sind ein fast selbstverständlicher Teil des alltäglichen Lebens an der Emscher geworden.

Das Zusammenspiel aus ingenieurtechnischer Umgestaltung und der Begleitung, Vermittlung und Reflexion des Wandels mit Kunst und Kultur findet mittlerweile auf der lokalen Ebene großen Anklang. Aber nicht nur die Menschen vor Ort wollen mehr und mehr über den Umbauprozess erfahren, inzwischen sind auch auf internationaler Ebene viele andere Metropolen und Metropolregionen auf den Masterplan Emscher-Zukunft aufmerksam geworden. So wurde er 2008 auf der 11. Internationalen Architekturbiennale in Venedig und 2009 auf der 8. Internationalen Architekturbiennale in São Paulo vorgestellt. Die Vorstellung des Masterplan Emscher-Zukunft war Teil des deutschen Ausstellungsbeitrags in São Paulo, der unter dem Motto „City for all – Ways to vision“ stand. Hier wurden Planungen vorgestellt, die weitreichende Projekte als Motor und Entwicklungsschub für die Gestaltung von Metropolen auf der einen Seite und die Findung zeitgemäßer, städtebaulicher Konzepte andererseits nutzen. Aktuell wird die Ausstellung noch bis zum 23.09.2010 im Hamburger Kunstverein gezeigt.

Der Masterplan Emscher-Zukunft zeigt, welche großen Chancen sich über den Wandel zu einem attraktiven Fluss hinaus mit der Vision einer verbindenden und ökologisch orientierten Planung für die Zukunft eröffnen: Das Wasser wird durch den Umbau der Emscher zum räumlichen Bindeglied, zum Identitätsträger und Identitätsvermittler für eine ganze Region. Darüber hinaus zeigt der Umbau dieses komplexen Flusssystems Signalwirkung für vergleichbare, wasserwirtschaftliche und städtebauliche Großprojekte auf der ganzen Welt.

In Zusammenarbeit mit RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten, Bonn/Landschaft planen + bauen, Berlin/Norbert Post und Hartmut Welters, Dortmund